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Glaesener Helga

Glaesener Helga

Titel: Glaesener Helga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfe im Olivenhain
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Molina einen Leichnam entdeckt hatte. Üble Sache, ganz übel. Giusdicente Lupori befand sich bereits am Ort des Verbrechens.
    Warum hat man nicht nach Rossi gerufen? fragte sich Cecilia. Vielleicht befand sich Molina nicht mehr in seinem Bezirk? Sie kannte den Namen des Dorfes, war aber noch nie dort gewesen. Sie hatte nur eine ungefähre Vorstellung davon, wo es lag. Einige ärmliche Bauernkaten.
    Während sie noch die Schreckensnachricht verdaute, kam ein Bengel mit zwei Ziegen und brüllte, dass Nonna Isidora, die den Toten gesehen hatte, sich immerzu übergeben müsse. »Es warn wieder die Mörderhunde, und sie harn ihm das halbe Bein abgerissen«, krähte der Junge mit seiner hellen Kinderstimme, und jemand gab ihm etwas hinter die Ohren, vielleicht aus Entsetzen, vielleicht, um ihn Pietät zu lehren. Obwohl er ja für die Lieblichkeit seines Organs nichts konnte.
    Cecilia kehrte ins Haus zurück, öffnete aber die Fenster. Die Leute standen immer noch beieinander und spekulierten. Ein Neuankömmling, der mit einem schäbigen Leiterkarren auf den Markt rumpelte, wollte gehört haben, dass es sich bei dem Ermordeten wieder um einen Fischer handelte. »Bein abgerissen?« Er lachte. »Von dem Burschen ist so wenig übrig, dass man nicht mal mehr sagen kann, ob er Männlein oder Weiblein war.«
    »Und woher weiß man dann, dass es sich um einen Fischer handelt?«, fragte Goffredo mit dem Misstrauen des gewieften Geschäftsmanns. Der Auskunftgeber war beleidigt und trollte sich. »Idiot!«, rief Goffredo ihm nach.
    Etwa eine Stunde später – Irene leistete Cecilia bei ihren Flickarbeiten Gesellschaft – kam Bruno in den Palazzo. Er war nie ein Mann feinen Benehmens gewesen, aber wie er einfach hineinschlurfte und sich auf den nächsten freien Stuhl fallen ließ, das war schon bemerkenswert.
    »Noch weitere schlechte Nachrichten?«, fragte Cecilia bang.
Bruno schwieg und starrte auf seine schmutzigen Stiefel, die durch Straßenstaub und Alter ihre ursprüngliche Farbe verloren hatten. Sein Kinn war unrasiert wie immer und die Hautfarbe unter den Stoppeln noch bleicher als gewöhnlich. Er sank in sich zusammen wie ein Ballon, dem die Luft entweicht. Konsterniert zog Irene den Faden durch ihre Stopfnadel.
»Bruno!«
»Es ist Leo.«
Erschüttert ließ Cecilia den Schlafrock, dessen Saum sie gerade nähte, in den Schoß sinken. Der Sbirro verfiel erneut in Schweigen. Sein Blick hing an seinen Stiefeln, als wären sie ein Orakel, das ihm das Ungeheuerliche deuten könnte.
»Leo, der Neffe von Adolfo?«, vergewisserte Cecilia sich in der verzweifelten Hoffnung, vielleicht etwas missverstanden zu haben.
Bruno nickte.
»O Gütiger. Ich muss in die Küche. Adolfo weiß noch gar nicht …« Sie erhob sich, sank aber sofort wieder auf den Stuhl zurück. »Was weiß man über den Mord?«
»Nichts, Signorina.«
»Gar nichts?«
Der Sbirro zuckte die Schultern.
»Ja, wollen Sie denn nicht nach Molina gehen und Genaueres herausfinden?«
»Das muss mir der Giudice auftragen.«
»Liegt dieser Eichwald in seinem Bezirk?«, fragte Cecilia verwirrt.
Bruno nickte.
»Dann müssen Sie doch gehen. Rossi würde es erwarten.«
»Der Giusdicente ist da.«
»Und dennoch und gerade dann …«
»Ich gehe, wenn man es mir aufträgt.« Der Koloss schob die Hände zwischen seine Schenkel, als wolle er sie am Zittern hindern. Die schwarzen Haare, die aus seinen Nasenlöchern lugten, bebten. »Ich muss hier warten, Signorina.« Cecilia war erschrocken über die Verzweiflung in seiner Stimme.
»Aber Bruno …«
»Ich muss warten, bis der Giudice mir einen Auftrag gibt. Ich krieg von ihm meine Befehle. Ich muss hier warten, verstehen Sie?«
Sie nickte.
»Er kommt doch bald?« Die Angst in dieser Frage.
Cecilia tauschte mit Irene einen ratlosen Blick. »Ein Weilchen wird es schon noch dauern. Bruno …«
»Ich muss hier warten.«
Als sie aus dem Zimmer ging, begegnete sie der kreidebleichen Anita, die in der Haustür stand und hinausstarrte.
»Wo ist Adolfo?«
»Ein Junge, wohl jemand aus seiner Verwandtschaft, hat ihm das von Leo … Sie wissen es bereits, Signorina? Dass Leo tot ist?« Anita schluckte. »Als Adolfo es hörte, ist er weggerannt. Er hat ein schreckliches Gesicht gemacht.«
Cecilia befahl ihr, eine Schokolade anzurühren, die sie zu Bruno hinaufbrachte, doch der Sbirro rührte das Getränk nicht an. Was konnte man tun? Gar nichts. Das Speisezimmer versank in ein bedrücktes Schweigen, an das sich mehrere stille Stunden anschlossen, in

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