Glaesener Helga
auch die zum Speisezimmer. Man merkte, dass ihnen ihr Verhalten Vergnügen bereitete. Reflexartig griff Cecilia nach der Schere – und ließ sie wieder sinken.
Dann warfen sie ihr den Hund vor die Füße. Ein blutdurchtränktes, braunrotes Bündel von solchen Ausmaßen, dass sie im ersten Moment meinte, sie hätte einen Kalbskadaver vor sich. Entsetzt schlug Cecilia die Hand vor den Mund. Sie starrte auf einen Schädel mit spitzen Ohren, auf gebrochene dunkle Augen, auf ein Maul, dessen linke Hälfte durch einen scharfen Hieb abgetrennt worden war und in dessen rechter Hälfte Zähne in Blut schwammen. Auf Pfoten, die man unterhalb des Sprunggelenks abgeschnitten hatte. Auf Gedärm, das sich aus einer Stichwunde im Unterleib ringelte …
Die Männer wussten, was sie einer Dame schuldeten. Einer von ihnen sagte: »Guten Tag, Signorina. Tut uns leid, wenn wir stören.«
Dann ertönte ein Schrei.
»Was …?«
»Wir haben den Auftrag, den Sbirro Bruno Ghironi, der sich hier verkrochen hat, zu verhaften«, sagte der Mann. Er hatte die feinen Gesichtszüge eines Gelehrten und den stieren Blick eines Säufers. Es waren Sbirri, begriff Cecilia plötzlich. Sie trugen dieselben Farben wie Bruno, nur dass ihre Uniformen besser in Schuss waren.
Der Sprecher machte eine zackige Bewegung und trat beiseite. Zwei seiner Untergebenen schleppten jemanden zwischen sich herein – Bruno, der am ganzen Leib zitterte und bebte. Aus seinem Mund quoll ein unmenschliches Geräusch, halb Stöhnen, halb Hilferuf. Er trat mit dem Fuß, um seinen Stiefel vor der Schnauze in Sicherheit zu bringen, aus der Blut auf den Boden sickerte. Auch er wurde zur Seite gezerrt. Schockiert starrte Cecilia auf den Mann, der als Letzter eintrat. Tacito Lupori trug sein unvermeidliches Blumensträußchen im Knopfloch. Schneeglöckchen. Sie waren ein wenig zerfleddert – der Tag musste ihn in Anspruch genommen haben. Seine Verbeugung dagegen war vorbildlich. »Giudice Rossi ist nicht daheim?«
»Man hätte ihm kaum die Tür zertrümmert, wenn es so wäre«, erwiderte Cecilia scharf.
»Wir haben einen Mörder festgenommen.« Lupori strahlte, als hätte man ihn mit Licht überschüttet, als stünde er zwischen golden leuchtenden Kerzenflammen. »Und dem Giudice ein Präsent mitgebracht. Das war’s, verehrte Signorina. Die Wolfsjagd ist zu Ende.« Falls es ihn kränkte, dass sein Widersacher im Augenblick seines Triumphes nicht zur Stelle war, ließ er es sich nicht anmerken. Mit einem Lächeln meinte er: »Richten Sie Giudice Rossi aus, dass dieses verkommene Subjekt in Buggiano eingekerkert und dort verhört werden wird. Er ist des Mordes an Signore Feretti und weiter des Mordes an einem Fischer überführt. Er wird in meinem Gewahrsam bleiben, bis er gesteht und bis er gerichtet ist für seine Taten.«
Cecilia blickte zu Bruno. Sie musste sich beherrschen, nicht die Augen abzuwenden. Noch nie in ihrem Leben hatte sie bei einem Menschen solche Angst gesehen. Sein unförmiger Körper war erschlafft, aber er musste gekämpft haben wie ein Löwe, als man ihn aus dem Zimmerchen zog, in dem er sein Geschäft verrichtet hatte. Er war nicht mehr dazu gekommen, die Knöpfe seines Hosenlatzes zu schließen, was dem Überfall aus irgendeinem Grund eine besondere Brutalität verlieh. Am schlimmsten war jedoch, was er sagte: »Helfen Sie mir, Signorina, o Gott, helfen Sie mir!« »Wie, Bruno?«
Sein Wangenmuskel zitterte, und er stierte wieder auf das tote Tier. Dann schleppten sie ihn hinaus.
Die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Rossis Beisitzer, Zaccaria und Signore Secci, kamen und machten es sich im Speisezimmer bequem, um auf Rossi zu warten.
»Wo …«, begann Zaccaria.
»Goffredo hat ihn fortgebracht«, sagte Cecilia. Anita hatte den Fleck, den der tote Hund hinterlassen hatte, mit sämtlichen Scheuermitteln bearbeitet, die in ihrer Küche zur Verfügung standen, aber ein dunkler Schimmer war geblieben. Secci tätschelte Cecilia die Schulter, was sie fast in Tränen ausbrechen ließ. Sie biss sich auf die Fingerknöchel.
»Unglaublich«, kommentierte Zaccaria. »Ist eine persönliche Rache, was Lupori da auf die Bühne bringt. Das arme Schwein.«
»Er wird Bruno doch nichts antun?«, fragte Cecilia mit tonloser Stimme.
Zaccaria starrte sie an, als wäre sie von einer Wolke auf die Erde gefallen. Secci erklärte: »Das Folterverbot ist so gut wie amtlich. Der Granduca verabscheut die peinliche Befragung als Mittel der Rechtsfindung. Das Gesetz ist
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