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Glaesener Helga

Glaesener Helga

Titel: Glaesener Helga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfe im Olivenhain
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der Luogotenente mit sich zurate. Das Mädchen verstummte, nachdem es eine Ohrfeige bekommen hatte, und die Wartenden, die kurzfristig abgelenkt gewesen waren, wandten ihre Aufmerksamkeit wieder Cecilia zu. Alle horchten interessiert.
»Wenn Sie mir folgen wollen«, sagte der Mann.
Er brachte sie eine Treppe hinauf und führte sie durch mehrere Säle, deren freskenverzierte Wände halb nackte Männer und Frauen in kriegerischen Posen zeigten. Jedes Eckchen zwischen den Fresken war vergoldet, die Böden glatt und glänzend. An die Fresken und Böden erinnerte Cecilia sich. Auch an die Vorhänge, die so schwer wie Bettvorleger an den Stangen hingen. Aber nicht an die weiße Marmordame, die mit ihrem Marmorkind – beide in Lebensgröße – auf einem goldenen Tischchen stand, als hätte man sie zum Kaffee serviert. War Rossi ebenfalls durch diese Zimmer geführt worden? Er wird sich zusammengerissen haben, dachte Cecilia. Niemand durchschreitet diese Pracht und benimmt sich danach vor dem Hausherrn wie ein Flegel.
Sie kamen in einen Korridor mit alten Meistern an den Wänden, der nach dem blendenden Gold beinahe schlicht wirkte, und dann in ein weiteres Zimmer. Später versuchte Cecilia sich zu erinnern, wie dieser Raum ausgesehen hatte, aber sie konnte es nicht. Nicht die winzigste Einzelheit war in ihrem Gedächtnis haften geblieben. Ihr Blick wurde sofort von dem Mann gefesselt, der dort in einem Sessel saß, das Gesicht in den Händen verborgen, den Rücken gekrümmt – in verzweifelter Verfassung und ganz sicher nicht auf Gesellschaft aus.
Er hob den Kopf, als der Gardeoffizier sich respektvoll räusperte, und Cecilia wusste, dass sie ihn kannte. Ein distinguierter älterer Herr mit buschigen, weißen Augenbrauen, die sich so weit aus dem Gesicht wölbten, als dienten sie zum Schutz vor Regen. Sie grub in ihrem Gedächtnis, aber er war schneller.
»Signorina … Es tut mir leid, dass mir der Name entfallen ist. Sie waren bei mir zu Gast, nicht wahr? Wenn Sie verzeihen …«
Sie knickste – und dann fiel es ihr ein. »Signore di Vita.« Der Mann, bei dem sie mit Rossi Zuflucht gefunden hatte in der Nacht, in der Großmutter sie aus dem Haus geworfen hatte. Rossis Mentor. Der Jurist, der ihn aus der Domschule gefischt und ihn protegiert hatte, während er studierte, und der seine Karriere in Florenz und später in Pistoia gefördert hatte.
Cecilia nannte ihren Namen – und damit hatte sie seine Aufmerksamkeit fast schon wieder verloren. »Wo ist er denn?«
Di Vita schaute zum Fenster. »Nein«, sagte er, als sie instinktiv einen Schritt in diese Richtung tat. »Setzen Sie sich, meine Liebe. Wir sollten miteinander reden.«
»Rossi hat es verdorben? Er wurde zum Granduca vorgelassen, aber er hat sich schlecht benommen!«, spekulierte sie entsetzt.
Di Vita lächelte. Sein hageres Gesicht wurde milder und die weißen Brauen glätteten sich. »Sind Sie ihm deshalb so rasch nachgereist? Man darf ihm nichts vorwerfen, Signorina. Er hat sich die Haare gekämmt und alles hervorgekramt, was er in den letzten Jahren an Manieren vergessen hatte.« Das Lächeln glitt ins Ironische. »Er hat sich wirklich Mühe gegeben.«
»Dann ist es gut gegangen?«
Di Vita schaute erneut zum Fenster, und wieder erlaubte er ihr nicht aufzustehen. Er winkte mit der Hand, und der Gardeoffizier ging hinaus und schloss hinter sich die Tür.
»Der Granduca hat ihn doch nicht empfangen?«
»Sogar in einer Privataudienz, meine Liebe. Er schätzt den Grübler in seiner Kommission. Sie sind einander sehr ähnlich, müssen Sie wissen. Detailversessen. Arbeitswütig. Sie wollen das perfekte Gesetz«, sagte er in einem nachsichtigem Ton, dem gleichzeitig etwas Trostloses anhaftete. »Doch, er widmete sich ihm, und er widmet sich ihm immer noch.«
»Konnte Rossi ihm von Bruno Ghironi erzählen?«
Di Vita nickte.
Cecilia hasste den alten Mann dafür, dass er sie nach jeder Antwort fischen ließ. »Aber Leopoldo wollte damit nicht belästigt werden?«
»Er war äußerst interessiert. Ein bemerkenswerter Mensch, unser Granduca. Der Löwe, den das Schicksal einer Laus interessiert!«
Jajaja. »Und?«
»Bruno hat Glück. Der Granduca hat soeben einen Boten auf den Weg geschickt. Keine Folter. Keine Gerichtsverhandlung, ehe das Verbrechen nicht befriedigend aufgeklärt wurde.«
»Dann ist es doch gut.«
»Bis auf einen winzigen Punkt.« Di Vita verschränkte die Hände im Schoß, und plötzlich stand in seinen alterstrüben Augen die pure Verzweiflung. »Eine

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