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Glaesener Helga

Glaesener Helga

Titel: Glaesener Helga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfe im Olivenhain
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Müßiggänger zum Zeitunglesen trafen. Sonntags und an den Sommerabenden wurden die Gärten zum Tummelplatz der braven florentinischen Familien, die ihre Sprösslinge in den Heckenlabyrinthen Fangen spielen ließen. Die vordere Fassade des Palazzo zeigte sich eher offiziell. Ihre drei Stockwerke mit den Rundbogenfenstern zogen sich über einschüchternde achthundert Fuß an der Straße entlang. Der Stein, aus dem der Palazzo errichtet worden war – Pietra serena aus den Florentiner Steinbrüchen –, leuchtete im Gelb einer Löwenmähne.
Cecilia hatte das Gebäude ein einziges Mal von innen gesehen, anlässlich der Tauffeier für das sechste Kind des Großherzogs, für die Großmutter Bianca eine Einladung ergattert hatte. Sie erinnerte sich an strahlend weißen Marmor, deckenüberspannende Gemälde mit fliegenden mythologischen Gestalten und an kalte Füße. Die Feier musste im Winter stattgefunden haben.
Nervös lenkte sie die Vittoria in die Nähe eines geöffneten Portals, vor dem sich eine Menschenmenge gesammelt hatte. Sie stieg aus und rief einen kleinen Jungen heran, dem sie eine Münze gab und den Auftrag, ihr Eigentum zu hüten. Was zur Hölle treibe ich hier?
Eine Calesse fuhr vor und versperrte ihr die Sicht auf das Portal. Zwei junge Damen in Begleitung eines älteren Herrn entstiegen dem altertümlichen Gefährt. Sie waren reinlich gekleidet, in hübschen Stoffen, aber ohne die Eleganz, die man von einer Dame von Welt erwarten würde. Der Mann trug eine Kladde unterm Arm. Er wirkte wie ein Notar, und er schien dem Tag mit wenig Zuversicht entgegenzusehen.
Cecilia nahm an, dass die Gesellschaft eine Audienz beim Granduca hatte. Leopoldo war ein Mann mit Freude am Detail. Kein Vorfall erschien ihm zu gering, kein Problem zu unbedeutend, als dass er sich nicht am liebsten selbst damit befasst hätte. Die Hauptarbeit seiner Beamten bestand darin – flüsterte man hinter vorgehaltener Hand –, ihm die Arbeit aus den Händen zu reißen. Man spottete darüber, wie man über alles spottete, was aus Österreich kam.
Cecilia tat einige Schritte in Richtung der Gruppe, und dann geschah es wie von selbst, dass sie sich zwischen die Mädchen mischte und an dem pickligen jungen Offizier, der die Papiere des Notars prüfte, vorbeihuschte.
Es war tatsächlich Audienztag. In dem langen, kühlen Flur links des Einganges hatte sich eine Menschenschlange gebildet, die bis um die Ecke des Ganges reichte. Die Räumlichkeiten waren düster, dunkelrote Bodenfliesen schluckten das Licht. Man hatte die Wände zwar geweißt, aber die helle Fläche war mit Wandteppichen behängt. Etwa alle zehn Fuß warfen Fenster Rechtecke aus Licht auf den Boden und enthüllten den Glanz der Gewänder, mit denen sich die Besucher herausgeputzt hatten. Ein kleines Mädchen, von der Hand der Mutter streng gehalten, zappelte in solch einem Lichtfleck. Es trug ein blaues Seidenkleid und sah aus, als wollte es jeden Moment zu plärren beginnen.
Cecilia trat einen Schritt zur Seite und begann unauffällig, die vor ihr Stehenden zu überholen. Sie hoffte , es unauffällig zu tun, aber das war schwierig bei diesem akkuraten Schlangestehen, das vom livriertem Wachpersonal mit Argusaugen überwacht wurde. Und richtig – kaum hatte sie ein Viertel des Flures hinter sich gebracht, da wurde sie von einem Gardisten angehalten.
»Ich will nicht zur Audienz. Ich suche Giudice Rossi, einen Richter aus Montecatini. Er muss hier im Palazzo sein«, flüsterte sie.
Der Mann, ein älterer Kerl mit seidenweichen, wenn auch schon ergrauten Locken, musterte sie.
»Aus Montecatini?«
»So ist es.«
»Ah ja.«
Dieses Ah ja klang wissend und deshalb übel. Rossis Name hatte sich offenbar wie ein Lauffeuer im Palast verbreitet. Das konnte nichts Gutes bedeuten. »Hat der Granduca ihn bereits empfangen?«
Der Mann grinste.
»Und wo ist er nun?« Sie hasste die fröhlichen Fältchen, die die Augen des Gardisten umkränzten, als könnte er sich gar nicht genug amüsieren.
»Etwas nicht in Ordnung?« Der Mann, der sich zu ihnen gesellte, musste der Vorgesetzte des Seidenlöckchens sein, denn das Grinsen verblasste. Das Seidenlöckchen nahm Haltung an.
»Eine Bekannte von Giudice Rossi, Luogotenente. Sie wissen schon …«
»Und ich müsste ihn dringend sprechen!« Cecilia setzte die blasierte Miene einer Dame von Stand auf.
Das Kind in dem blauen Kleidchen hatte genug. Es begann loszubrüllen, und als die Mutter es schüttelte, brüllte es noch kräftiger. Gereizt ging

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