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Glaesener Helga

Glaesener Helga

Titel: Glaesener Helga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfe im Olivenhain
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des Satzes hörte sie nicht mehr. Bisher hatte das Morgenlicht aus einem der Fenster auf Rossis Wunden geschienen, ein Streifen, der handbreit über seinen Oberkörper verlief. Dieser Streifen hatte sich plötzlich verkleinert, oder vielmehr – er änderte seine Form.
Cecilia spürte ihren Herzschlag aussetzen. Mechanisch rieb sie weiter über die wunde Haut. Jemand stand am Fenster. So musste es sein. Er bewegte sich selbst und damit auch den Lichtstreifen.
Es ist so weit … Zeit für die Pistole .
Der Gedanke war derart absurd, dass sie beinahe gelacht hätte. Was bildest du dir ein , Cecilia Barghini? Dass du einen Menschen erschießen kannst? Und doch griff sie mit der Linken nach ihrem Ridikül und begann an dem Verschluss zu fingern.
»… erklär ich’s dir. Ich bin dein Verwandter. Ich denke schon, dass ich eine Verantwortung habe«, erklärte Rossi hölzern und gleichzeitig irritiert, weil er aus den Augenwinkeln die Bewegungen ihrer Hand wahrnahm. Er zischte durch die Zähne, als sich ihr Fingernagel ungeschickt in einem der Wundränder verhakte.
Ungläubig sah er zu, wie sie die Pistole aus dem Täschchen kramte. Sie linste zu dem Fenster. War das ein Gesicht? O ja! Sie konnte nicht viel erkennen, eine Wange, vielleicht ein Kinn – aber dort stand jemand. Und nun bohrte sich, unmittelbar neben dem Fenster, ein schwarzer Lauf durch das Geflecht der Hüttenwand. Das Auge eines metallenen Zyklopen.
»Du bist mir gar nichts schuldig, Rossi«, sagte sie, während die Pistole ihr durch die glitschigen Finger glitt und neben das Täschchen fiel. Sie tastete nach der Waffe …
Rossi schob, aufs Höchste alarmiert, ihre Hand beiseite, und es gelang ihm, die Pistole aufzunehmen und den Hahn zu spannen.
»Am zweiten Fenster neben der Tür«, flüsterte Cecilia, während sie tat, als schaute sie in den Tiegel. Ihr Kiefer war so angespannt, dass er schmerzte. Willkommen , Vincenzo . Ich habe gewusst , dass du nicht aufgeben würdest . Aber über Rossi und seinen Sorgen hab ich’s vergessen – kannst du dir das vorstellen?
Zumindest führte der Irre keine Hunde mit sich. Stimmte das? Hatte Lupori sämtliche Hunde erschossen, oder hatte er nur den einen erwischt? Bitte keinen Hund, dachte Cecilia. Der Verrückte zielte mit einer Pistole, also stand er dort ohne Hund, obwohl es ihm anders sicher besser gefallen hätte. Und vielleicht war er es ja auch gar nicht selbst. Der unsichtbare Helfer … Wir müssen sie erschießen , Herr – sie sind uns zu dicht auf der Spur . Ja, das wäre eher glaubhaft. Ein kaltblütiger Kumpan aus Vincenzos Stall, der eine Zeugin beseitigen wollte, ohne dabei ein allzu großes Risiko einzugehen.
Cecilia schaute auf die Pistole in Rossis Hand. Er würde sich drehen müssen, um zu schießen. Wenn der Schütze sie im Auge hatte, würde er wissen, was die Bewegung bedeutete. Er würde schneller sein.
Sachte nahm sie dem grimassenschneidenden Rossi die Pistole wieder ab. Sie riss den Arm hoch, streckte ihn – dass sie sich daran noch erinnerte! – und zog den Abzug durch. Der Feuerstein knallte auf die Batterie. Die Wucht der anschließenden Explosion war so groß, dass ihr die Waffe aus der Hand geschlagen wurde. Rossi griff danach und riss Cecilia mit sich in eine andere Ecke des Raums. Im Fallen sah sie das spektakuläre Loch, das die Pistole in der Wand hinterlassen hatte.
Er war schon wieder auf den Füßen. Die Tür flog auf, und er rannte hinaus.
Cecilia wartete. Ihre Hand brannte, wo sie vom heißen Pistolenlauf gestreift worden war. Sie hörte ihre Zähne klappern und schob den Handballen in den Mund – das kühlte und beendete das Klappern.
Sie wartete immer noch, starrte zu Tür und horchte so gespannt, dass ihr Augen und Ohren brannten. Nichts. Keine Kampfgeräusche. Kein erneuter Schuss, weder von ihrem Verfolger noch aus der Waffe, die Rossi mit sich genommen hatte. Wo steckst du , Vincenzo?
Dann Schritte … Herrgott … Wau …
Sie blinzelte, unfähig, auch nur den Handballen aus dem Mund zu ziehen.
Es war Rossi. Das Grinsen auf seinem Gesicht verschwand, als er sie ansah. »Es war nichts, Cecilia.« Er ließ sich schwerfällig vor ihr nieder und umschloss ihre Wangen mit seinen beiden Händen. »Schon gut, Mädchen, schon gut …«
Wo hatte er die Pistole , verdammt? »Wo ist die Pistole?«
»Du hast dich getäuscht. Dort draußen ist keine Seele.« Der Pistolengriff lugte aus seiner Hosentasche.
Sie schob seine Hände fort und stand auf. Vor der Hütte erwartete sie

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