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Glaesener Helga

Glaesener Helga

Titel: Glaesener Helga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfe im Olivenhain
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leiden mochte, wenn man ihn einsperrte. Ich mag das auch nicht. Ich mag keine Türen, die zu sind, und wenn die Türen zu sind, will ich, dass die Fenster offen sind. Auch wenn es kalt ist, das ist mir egal.«
    Cecilia drückte die kleine Hand.
»Aber im Schlafsaal durfte man die Fenster nicht aufmachen.« Dina hatte es trotzdem getan. Sie war dabei erwischt und bestraft worden. Sie hatte in der nächsten Nacht wieder das Fenster geöffnet. Der Karzer, in dem man sie wegen ihres Ungehorsams steckte, besaß keine Fenster – das war schlimm gewesen. »Aber ich hab gesungen. Singen ist wie ein Fenster, das man aufmacht. Und dann war mir auch der Karzer egal.«
So egal, dachte Cecilia, wie die Freundschaften, die sie nicht hatte schließen können. Sie hätte weinen können vor Mitleid und Zorn. »Was hast du gesungen?«
»Ein Lied. Hat mir Domizio beigebracht. Aber das kann man nicht vorsingen.«
Cecilia nickte verständnisvoll.
An dem Tag, als Rossi gekommen war, hatte der Krieg um die offenen Fenster bereits groteske Formen angenommen. Dina öffnete die Fenster, ihre Mitschülerinnen warteten und kicherten in wohligem Schauder, und dann kam unvermeidlich der Karzer.
»Warum hast du die Fenster in den Schulräumen geöffnet?«, fragte Cecilia. »Dort war es doch nicht eng und dunkel.«
»Damit die Äbtissin nicht denkt, dass ich Angst vor ihr habe. Ich hab vor niemandem Angst«, prahlte Dina und hörte sich anschließend, auf einem Bein hüpfend, eine Predigt zum Thema Gehorsam und Sanftmut an.
»Mein Vater hat auch keine Angst vor der Äbtissin«, schoss sie in die erste Pause hinein. »Er hat sie angebrüllt in Worten, die man gar nicht wiederholen kann, weil sie so unfreundlich zu mir war. Und dann hat er mich einfach mitgenommen. Er hat nicht einmal auf meine Kleider gewartet. Ich durfte in seinem Arm schlafen, als wir geritten sind. Nicht quasseln, das macht ihn nervös. Aber schlafen. Er hat mich sehr lieb.«
»So viel steht fest«, sagte Cecilia.
    Als sie heimkehrten, schickte Cecilia Dina zu Anita in die Küche hinab. Im Flur und im Speisezimmer drängten sich die Männer, die Rossi zusammengetrommelt hatte. Abate Brandi hatte es sich in Rossis Lehnstuhl bequem gemacht und plauderte mit dem sichtlich strapazierten Signore Secci über die Blitzableiter, die er nun auch auf den Dächern seiner Dampfhäuser platziert hatte. »Signore Benjamin Franklin … wunderbarer Mensch …«
    Zaccaria stand in einer Ecke und stierte auf das Holz im Kamin, während Arthur Billings in dem Buch blätterte, aus dem Dina ihre französischen Verse abschrieb. Gerade traf Giudice Cardini ein. Cecilia begrüßte ihn und nahm ihm den schweren Mantel ab.
    »Madonna – und ich dachte, ich hätte bereits alle Schönheit der Welt gesehen, als ich durch den Frühlingswald geritten bin«, schmeichelte er gut gelaunt und hauchte einen Kuss in ihre Richtung.
    »Friss sie nicht auf«, blaffte Rossi.
Cardini lachte.
Cecilia hätte sich nun zurückziehen sollen, aber sie
    tat es nicht. Man hatte auf sie geschossen – sie fand, dass sie ein Recht hatte zu hören, was hier besprochen wurde.
    Cardini rückte ihr einen Stuhl zurecht. Das passte Rossi nicht, aber er warf sie auch nicht hinaus. Sie hörten seinen knappen Bericht, der sich auf das erfreuliche Faktum beschränkte, dass der Granduca sich für Bruno einzusetzen versprochen hatte.
    »Ich würde gern wissen, wie es um ihn steht.« Der Hausherr blickte bei diesen Worten seinen Kollegen aus Monsummano an, und der begann mit einem Seufzer zu erzählen, was zu ihm durchgesickert war. Bruno hatte offenbar eine erste Befragung über sich ergehen lassen müssen, schlimm, schlimm, aber er schien es einigermaßen weggesteckt zu haben. Jedenfalls hatte er eine Portion Fisch verzehrt.
    »Das ist im Ganzen doch nicht schlecht«, meinte
    Zaccaria, der Rossis betroffenes Gesicht sah.
»Wenn dein Mann tatsächlich unschuldig ist, und
du willst ihm helfen, dann musst du den wirklichen
Mörder finden – und zwar schnell«, sagte Cardini.
»Der Granduca wird Lupori nicht lange an der Leine
halten.«
»Ich habe eine Woche.« Von dieser Frist hatte Rossi
Cecilia gar nichts erzählt. Eine Woche also – von der
ein Tag bereits verstrichen war.
»Wer hat Mario Brizzi, Sergio Feretti und Leo Alberti umgebracht? Das ist die erste Frage. Und die zweite,
die damit eng zusammenhängt – wo liegt der Beweggrund für die Morde?« Rossi musterte die Anwesenden
der Reihe nach und bekam natürlich keine Antwort. »Ein

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