Glaesener Helga
Jammer, dass die Signorina sich nicht erinnern
kann«, murmelte Secci.
Rossi nahm Arthur Billings ins Visier, und der Dottore überwand sich zu einem Kommentar: »Es muss sich bei dem Übeltäter um einen blutrünstigen und schlechten Menschen handeln, ohne Zweifel. Jemanden, dem es Freude bereitet, andere zu quälen. Darauf weist der lange Zeitraum hin, in dem dieser Junge, Leo, gefangen gehalten wurde. Es mag mit dem Wunsch zusammenhängen, Macht auszuüben. Da besteht eine … nicht ganz einfach zu begreifende Kausalität, die dem natürlichen Empfinden so heftig zuwider ist, dass ich es vorziehe, sie nicht weiter auszu
führen.«
Er streifte Cecilia mit einem Blick. »Ich spreche von
Genuss. Allerdings weigere ich mich, in dieser teuflischen Begierde eine Krankheit zu sehen, denn das Böse muss erst ins Haus geladen werden, bevor es dort
seinen Einfluss entfalten kann. Man kann also nicht
umhin, ein Maß an Schuld festzustellen, welches der
Bedeutung von Krankheit als ein dem Menschen auferlegtes Schicksal widerspricht. Bei diesem Mörder
handelt es sich zweifellos um ein abgrundtief verdorbenes Geschöpf.«
»Etwas Neues von Vincenzo?«
»Bitte, Enzo!«
»Ich frage bloß. Dann das Nächste: Wie kam Brunos Messer neben die Leiche des Jungen?«
»War es denn wirklich seines?«, wollte Zaccaria wissen.
»Ja.«
»Dann ist es klar – mal vorausgesetzt, dass Bruno seine
Pranken tatsächlich nicht in diesem schmutzigen Spiel
hat. Jemand wollte ihn zum Verdächtigen stempeln.« Rossi blickte zu Abate Brandi. Er befragt sie einen
nach dem anderen, fiel Cecilia auf. Von jedem wollte
er etwas wissen. Das hier war mehr als ein Zusammentreffen von Leuten, denen er vertraute.
»Das Morden begann bei Mario Brizzi«, sagte Rossi,
den Blick immer noch auf den Abate gerichtet. »Bei
einem Fischer, einem Saboteur, rate ich nun einmal,
der an der Zerstörung der Dampfmaschinen beteiligt
war.«
Der Mönch brummelte etwas.
»Er war einer der Saboteure – ja oder nein?« »Ein Hitzkopf. Ja, er gehörte zu dieser Bagage. Bin
ich mir sicher.«
»Was hast du unternommen?«
»Gar nichts.« Brandi blickte auf seine fetten Hände. »Kein Wort in Richtung Florenz?«
»Florenz? Wieso …? Hör zu. Ich bin ein Mönch,
den sie in die Provinz geschickt haben. Weg aus dem
Rennen um Einfluss, … weiß der Himmel. Was an
einem Ort wie Montecatini geschieht, interessiert in
Florenz gar nicht. Man behandelt mich …«
Rossi stampfte mit dem Fuß auf. Die schmerzenden
Striemen machten ihn ungeduldig. »Hast du jemandem in Florenz dein Leid geklagt, Guido? Ja oder
nein?«
»Vielleicht ein bisschen Dampf abgelassen …« »Bei wem?«
Cecilia sah, wie Cardini sich gespannt vorbeugte. »Keine Ahnung. Es war jemand hier, ein Signore …
Hab den Namen vergessen. Ein Mann des Granduca – hat sich so bei mir vorgestellt –, der wissen wollte, wie es vorangeht, mit der Drainage. Natürlich habe ich von der Sabotage erzählt. Hat aber nichts genutzt. Kein Wort aus Florenz, keine Reaktion … Dabei hängt
es von der Trockenlegung der Sümpfe ab …«
»Ein Mann des Granduca also.«
»Was soll denn das Verhör?«, beschwerte sich der
Mönch.
»Geh raus und sorge für Essen«, sagte Rossi zu Cecilia.
»Nein.«
Die Männer schauten sie überrascht an. Es war ihr
gleich. Sie wollte wissen, woran sie war.
»Also gut. Die Frage, die sich stellt: Wer war dieser
Mann, der für den Granduca arbeitet?«
»Verstehe ich nicht. Hat das jetzt immer noch mit
den Morden zu tun?«, fragte Zaccaria verblüfft. Dieses Mal wurde die Pause lang. Leandro Cardini
beendete sie, indem er mit einem vorsichtigen Lächeln
zu einem kleinen Vortrag ausholte. »Der Granduca,
Gott segne ihn, liebt es nicht, wenn man ihn hinters
Licht führt. Er ist Österreicher, ein Ausländer, er hat es
schwer hier in Italien. Zumindest ist er der Meinung,
dass er es schwer hat. Man schmeichelt ihm, man intrigiert, es wird gelogen und betrogen an seinem Hof
… Und das schmeckt ihm nicht. Er ist empfindlich.«
Cardini blinzelte, als erwähnte er eine skurrile Besonderheit der Ausländer. »Also hat er ein Netz von Spitzeln geschaffen, die ihm die Wahrheit über das zutragen sollen, was in seinem Land geschieht. Wobei – verstehen Sie mich bitte richtig –, ich wiederhole, worüber spekuliert wird, ich trage kein eigenes Wissen
vor.«
Es war keine Spekulation. Di Vita hatte das Gleiche
gesagt. Und der wusste Bescheid.
»Und was hat das mit dem Mord zu tun?« Zaccaria
kapierte immer noch nicht.
»Die
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