Glaesener Helga
sich gegen sie, während sie den Rock hob und mit einem lustvollen Selbsthass – so kam es Cecilia vor – an ihrer Prothese hantierte. »Keine Zeit, zu der eine Dame gewöhnlich unterwegs ist. Und damit meine ich jemand anderen als mich«, bemerkte sie beiläufig.
»Rossi ist wütend auf Sie.«
»Kann ich mir denken. Der Steigbügelhalter von Man-darf-nicht und Es-ist-verboten …«
»Er sucht nach Ihnen. Möchten Sie nicht mit mir …«
Francesca warf dem Grab eine Kusshand zu und humpelte in Richtung Friedhofstor.
»Wo wollen Sie jetzt hin? Feretti …«
Die Seifensiederin drehte sich um die eigene Achse. Plötzlich lag etwas in ihrer Hand. Eine unhandliche Pistole mit einem rötlichem Griff und einem langem, rostigen Schaft. Sie tat, als zielte sie damit über Cecilias Kopf hinweg auf den Horizont. »Ich habe eine, ich kann sie benutzen, und seit heute Nacht weiß Feretti das auch. Und deshalb kann ich mutterseelenallein auf einem Friedhof sitzen. Niemand braucht sich um Francesca Brizzi zu sorgen.«
Cecilia nickte. Vollkommen verrückt, diese Frau. Aber irgendwie auch wundervoll, auf ihre Weise … stolz …
»Und was ich noch sagen wollte …« Francesca stützte sich schwer auf ihren Gehstock. Sie steckte die Waffe in die Gürteltasche zurück, leckte unschlüssig über die Lippen und studierte einen Moment die Sandbröckchen zu ihren Füßen. »Sie haben wohl mitbekommen, dass Enzo und ich mal … Ach was, er hat in meinem Bett geschlafen, mehrere Wochen. So war das.« Sie taxierte Cecilia, schien jedoch nichts in ihrem Gesicht zu finden, woran sie hätte Anstoß nehmen müssen. »Es macht mir nichts aus, was die Leute dazu sagen, aber Sie haben sich wegen mir in aller Früh aus den Federn gequält. Und das war nett von Ihnen.«
»Nun, Francesca …«
»Ich hab nichts gegen Enzo, auch wenn die Leute das denken. Trotzdem will ich Ihnen einen Rat geben.« Sie kaute an der Lippe. »Dieser Mann ist verloren. Er weiß es nicht, aber wenn er schläft, fängt er an zu reden. Von seiner Grazia. Herrlich, was? Neben dir liegt der Mann, den du liebst, und … Grazia … Grazia. Egal, was zwischen den beiden war – er hat sich nur deshalb in mich verliebt, weil ich ihr nicht ähnele. Ich bin hässlich, ich bin praktisch, ich sorge für mich selbst. Ich bin das völlige Gegenteil seiner Grazia. Das wollte ich Ihnen sagen«, erklärte sie nüchtern und fügte hinzu: »Er kann nicht anders. Es wird immer nur Grazia sein.«
»Und warum muss ich das wissen?«, fragte Cecilia verdrossen.
Francesca lachte hell auf. Dann humpelte sie davon.
7. Kapitel
B runo nahm die Seifensiederin schließlich in ihrer Behausung fest. Er brachte sie unverzüglich in das Gefängnis von Montecatini, das sich im Keller von Petronio Verris Uhrengeschäft befand. Dann informierte er den Richter.
Er störte Rossi bei seiner Rasur. Der Giudice kam mit Schaum am Kinn in die Diele hinab und hörte sich an, was Bruno zu sagen hatte: Dass Francesca, dieses Teufelsweib, bewaffnet gewesen sei, aber keinerlei Widerstand geleistet habe, wenn man davon absah, dass sie gotteslästerlich fluchte, was ja an sich schon als Vergehen galt. Dass sie allein gewesen sei und sich weigere, die Namen ihrer Komplizen zu nennen, die mit ihr Ferettis Zwinger mit Kacke überschwemmt hatten – Verzeihung , Signorina Barghini . Dass sie andererseits nicht leugnete, selbst bei der Aktion anwesend gewesen zu sein …
»Sie kommt noch heute vors Gericht. Als Erste. In …« Rossi verrenkte den Hals, um die Zeiger der Standuhr im Speisezimmer zu konsultieren. »In fünfundvierzig Minuten.« Er verschwand, um seine Rasur zu vollenden.
»Warten Sie«, bat Cecilia den Sbirro und brachte ihm rasch einige Utensilien wie ein Waschtüchlein, einen Flakon mit Rosenwasser für die Gesichtswäsche und einen Kamm.
»Das soll ich ihr bringen?«, fragte Bruno verblüfft. »Ich bitte darum.«
Die Gerichtsverhandlung begann mit einem Tumult. Obwohl Rossi sie früher als sonst angesetzt hatte, strömten die Leute zusammen, als hätte ein menschlicher Eichelhäher die Bewohner des Häuserwaldes mit seinem Ruf alarmiert.
Das Teatro dei Risorti füllte sich, und Cecilia, die im Durchgangsflur zwischen Palazzo und Gericht stand, sah durch den Türspalt die angeregten Gesichter. Neugierde und Schadenfreude tanzten ihren Reigen. Sie entdeckte auch Mitleid in einigen Mienen, aber vor allem waren die Leute gekommen, um sich anzuschauen, wie der Giudice mit seiner verflossenen Geliebten
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