Glaesener Helga
trifft. Ich hatte was für ihn übrig, stimmt. Aber Feretti bezahlt mir die Wohnung, er hat mir fünf Hühner geschenkt, er bringt mir rotes Fleisch mit bei seinen Besuchen, was besser satt macht als alles andere, und für jede Nacht in meinem Bett zahlt er in Münzen. Wenn er weiter dreimal die Woche kommt und mich nicht über hat, bevor zwei Jahre um sind, hab ich zehn Skudi. Ich hab mir das ausgerechnet: Das reicht für acht Schweine«, erklärte sie nüchtern. »Damit zieh ich zurück in die Hütte von meiner Mutter, und weil wir beide dann nicht mehr hungern müssen, wird sie mir verzeihen. Ich wär mit dem Geld auch zu Mario gezogen, aber der wollte nicht. Scheiß auf die Ehre der Männer. Scheiß auf die Liebe.«
Sie rekelte sich und wartete. Die Ratte, die Rossi aufgeschreckt hatte, oder eine ihrer Schwestern, huschte über die Gasse. Mit einem mokanten Lächeln fuhr Marzia fort: »Francesca – die hat ihre Seife auch nicht aufgeben wollen für die Liebe, stimmt’s, Giudice?« »Pass auf, was du sagst.«
Die Hure blinzelte Cecilia zu. » Amore , amore … Ein Luxus, den man sich leisten können muss, Sie verstehen mich, Verehrteste?« Mit einem provozierenden Hüftschwung kehrte Marzia ihnen den Rücken. Sie hörten das Klacken ihrer Zimmertür. Dann war es still. Erst als Cecilia und Enzo wieder beim Palazzo waren, ergriff Rossi das Wort: »Verfluchtes Weibsbild. Tut mir leid, Cecilia. Ich habe offenbar völlig unterschätzt …« »Signora Secci hat es mir auch schon unter die Nase gerieben«, sagte Cecilia und versuchte, nicht allzu gekränkt zu klingen.
»Jedenfalls ziehst du um. Und zwar nicht erst, wenn Dina fort ist.«
Es war etliche Stunden später. Sie lagen längst in den Betten, und Cecilia träumte einen wirren Traum, in dem Marzia sich in Rossis grünem Lehnstuhl rekelte und Hühner streichelte, die durch das Speisezimmer flatterten und Rossis Dielen beschmutzten.
Und dann pochte es.
Cecilia wollte im Traum zur Tür gehen, schaffte es aber nicht, weil die Hühner plötzlich jedes Fleckchen Diele beanspruchten, als wären sie ein Teig, der in der Schüssel aufgegangen ist.
Als sie einigermaßen wach war, glaubte sie, Brunos Stimme zu hören. Gähnend fragte sie sich, was der Sbirro mitten in der Nacht im Palazzo della Giustizia wollte. Rossi polterte die Treppe hinab, und jemand nannte den Namen Feretti. Der Giudice stellte ärgerliche Fragen. »Wer hatte …? Sonst noch jemand? … Sfacciati ! … und die … warum er …?« Wortfetzen ohne Bedeutung. Seine Stimme hob und senkte sich, und wenn sie sich senkte, war kein Wort mehr zu verstehen. Doch anstatt durch die sinnlosen Geräusche eingelullt zu werden, wurde Cecilia immer wacher. Schließlich erhob sie sich und griff nach ihrem Hausmantel. Aber als sie in die Diele kam, schlug die Tür bereits hinter den beiden Männern zu.
»Was ist denn passiert?«, piepste Dina von der Treppe. Das Mädchen huschte die letzten Stufen hinauf und drängelte sich mit nackten Füßchen in Cecilias Mantel. Seit ihr kleiner diebischer Freund im vergangenen Jahr ermordet worden war, war sie ängstlich geworden, besonders nachts. Auch das sprach für den Umzug ins Kloster: Dort gab es vermutlich so viel Langeweile, dass die Furcht sich angeödet davonstehlen würde.
Cecilia brachte das Mädchen in seine Kammer zurück, wo es gleich wieder einschlief. War tatsächlich der Name Feretti gefallen? Musste man sich Sorgen um den Mann machen? Ach was, er war gar keiner Sorge wert. Francesca hatte doch nicht …? Nein, nein, ganz sicher nicht.
Cecilia lag immer noch wach, als Rossi heimkehrte. Er sah erschöpft und wütend aus. Bruno war tatsächlich wegen Feretti gekommen. Der Mann hatte es heil nach Hause geschafft, aber mitten in der Nacht wurden er und Signora Feretti durch das Bellen der Jagdhunde geweckt. Als er nachsehen ging, entdeckte er Gestalten mit geschwärzten Gesichtern in seinem Hof. Die Hunde sprangen gegen die Gitter, und ein grässlicher Gestank hing in der Luft. Feretti stürmte die Treppe hinab, rutschte aus und fiel.
»Sie haben ein Loch in das Auffangbecken seiner Kloake geschlagen, und zwar so, dass sich der ganze Mist in den Zwinger und durch die Gitter in den Hof ergossen hat. Feretti hatte einige Hunde an die Kette gelegt. Die konnten nicht fort und sind in dem Dreck erstickt und ersoffen.« Rossi machte aus seinem Ärger keinen Hehl. »Als ich kam, saß Feretti im Zwinger und hat geheult und seine toten Köter umarmt. Signora Feretti stand
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