Glaesener Helga
verfahren würde. Das war wie ein Theaterstück, nur spannender.
»Und wenn ich jetzt vorbei könnte …« Rossi wartete, dass Cecilia ihm Platz machte. Er trug seinen roten Talar. Die Allongeperücke saß streng über den hageren Zügen.
»Tut mir leid.«
»Was tut dir leid?«
»Wie man sich bettet … Ich meine – du hättest diskreter sein können.« Cecilia drückte sich gegen den Putz, damit er vorbeikam. Sie sorgte dafür, dass die Tür nicht ins Schloss fiel.
Durch den Spalt sah sie, wie Rossi zwischen seinen
Beisitzern Platz nahm. Renato Seccis Blick schweifte beunruhigt über die Zuschauerschar, Zaccaria lächelte. Der Bauer konnte sich des Wohlwollens der Anwesenden sicher sein. Die Montecatinier hatten ihn wegen seiner rebellischen Art zum Assessore gewählt, und weil sie sicher sein konnten, dass er seinen Kopf nicht mit Paragraphen beschwerte, die ihm die Sicht auf die Gerechtigkeit versperrten. Sie mochten ihn, und er mochte sie.
Die Verhandlung Francesca Brizzi gegen Sergio Feretti geriet kurz, aber turbulent. Feretti hatte zwei Hetzhunde und eine Dachshündin verloren. »Eine trächtige Hündin, … ein wertvolles Zuchttier!«, schimpfte der Gutsbesitzer, den Cecilia erst jetzt auf einem separaten Stuhl vor der ersten Reihe entdeckte.
»Immer fleißig, Sergio, was?«, tönte es aus den Zuschauerreihen.
Rossi ließ wütend den Hammer auf den Tisch donnern. Wenn er gewusst hätte, von wem die unflätige Bemerkung stammte, hätte er ihn zweifellos mit Vergnügen hinausgeworfen.
»Mein Hof ist immer noch voller Kacke. Ich will, dass das wegkommt!«, verlangte Feretti.
Die Leute lachten.
Francesca saß mit unergründlicher Miene am anderen Ende der Stuhlreihe. Sie trug seit Marios Tod ein schwarzes Trauerkleid. In der Seitennaht prangte ein Riss – ein Relikt der Flucht, wie Cecilia vermutete, aber sie hatte sich so gesetzt, dass er unter ihrer Prothese klemmte und kaum auffiel. Ihre Haltung war stolz. Sie bereute die Attacke auf Ferettis Kloake mit keinem Quäntchen ihrer unbeugsamen Seele. »Sag ihm, Enzo Rossi, dass er sich in seiner Kacke ersäufen soll wie seine verdammten Hunde.«
»Dies ist ein Gericht, Signorina Brizzi …«
»… vor dem ein Mörder sich aufführen darf wie der Kaiser von Osmanien! Steck dir dein Gericht sonst wohin.«
Zaccaria nickte beifällig, was auch ihm einen gereizten Blick des Giudice eintrug.
»Auf wie viel beläuft sich der Schaden?«
Feretti erhob sich und baute sich vor dem Richtertisch auf – ein Männchen, das vor Zorn zu doppelter Größe anschwoll. »Dieses Weib …« Er deutete mit dem Finger auf Francesca. »… bildet sich ein, ich hab ihren Bruder umgebracht. Lächerlich! In Buggiano steckt man solche wie sie in die Trülle, und genau das …«
»Wie groß ist der Schaden?«
»Und jetzt hat sie meine Hunde …« Feretti kämpfte unerwartet mit Tränen.
Francesca saß weiter aufrecht und stolz. »Für einen Hund hast du Mitleid, ja?«
Ihr Widersacher fuhr herum. »Du bist ja …« Der Hammer knallte erneut auf die Tischplatte. »Wahnsinnig! Tollwütig … Du bist so kirre …« Feretti geriet außer Atem. Sein Gesicht war puterrot angelaufen.
»Das Gericht duldet keine Beschimpfungen«, brüllte Zaccaria und ließ keinen Zweifel, wem seine Sympathie galt.
»Und außerdem …« Rossis Hammer knallte erneut. »… will ich endlich die Höhe des Schadens erfahren.«
»Es sind ja nicht nur die Hunde. Dieses Pack, dieses … dreckige, verleumderische Pack aus den Sümpfen … Sie wollen mich umbringen!«, heulte Feretti auf.
»Vielleicht sind wir dreckig, aber es ist ehrlicher Dreck. An unseren Händen klebt kein Blut!«, scholl es von einer der Bänke. Der Rufer saß so, dass Cecilia ihn nicht sehen konnte, aber als sie in einen der Spiegel blickte, die die Theaterlogen flankierten, erkannte sie einen jungen Mann, der die Fäuste gegen Feretti schüttelte. Sein Nachbar, glatzköpfig und doppelt so alt, zog ihn auf die Bank zurück. Der Junge sprang wieder auf. »Mörder!«
»Setzen!«, donnerte Rossi. »Oder vielmehr: Ihr verschwindet. Alle Zuschauer raus! Jeder, den ich in einer Minute hier noch sitzen sehe, zahlt drei Julii Strafe. Raus! Nicht Sie, Feretti!«
»Das ist nicht gerecht. Das darfst du gar nicht«, spekulierte einer der Zuschauer. Als er Rossis Blick auffing, trollte er sich mit den anderen. Bruno humpelte aus seiner Ecke und schloss die Tür.
»Eine Zechine pro Hund – also insgesamt drei Zechinen. Das ist die Strafe, die das Gericht
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