Glaesener Helga
Uhrengeschäft im Vicolo Maroncelli erreichte.
Montecatinis Kerker befand sich zu billiger Miete im Kellergeschoss von Petronio Verris Uhrenladen, was praktisch war, da auch der Sbirro seine Wohnung über dem Uhrengeschäft hatte. So profitierte Bruno von kurzen Wegen zu den Delinquenten, und Petronio freute sich, weil die Justiz ein Auge auf seine Schätze hatte, gewissermaßen. Nicht, dass er Bruno viel Vertrauen entgegengebracht hätte. Niemand traute einem stinkenden Fettwanst …
Atemlos blieb Cecilia vor den kleinen, verglasten Fenstern mit den Auslagen stehen. Sie blinzelte vor Schmerzen, als sie durch die Scheiben spähte. Ihr Plan war beim Laufen weiter gediehen – ob er etwas taugte oder ob er an einem Detail, das in dem Sumpf aus Stechen und Pochen in ihrem Schädel unterging, scheitern würde, wusste sie nicht zu entscheiden. Hölle, war das ein Kopfweh.
Von Petronio keine Spur – das war zunächst ein Punkt, der hoffnungsfroh stimmte. Sie hielt die Glocke fest, als sie durch die Tür schlüpfte. Auf Zehenspitzen huschte sie zu der Treppe, die in die Wohnung des Sbirro führte.
Lieber Gott, lass ihn zu Hause sein.
Sie klopfte nicht, und so war es ihre eigene Schuld, dass sie ihn in grauen Unterhosen vorfand, mit nackter, schwarz behaarter Brust an einem Tisch, auf dem sich eine halb leere Flasche befand und sonst nichts.
»Ziehen Sie sich an, Bruno, rasch, und keine Fragen.«
Er rülpste überrascht.
»Sagte ich: Rasch?« Cecilia wandte sich ab in der plötzlichen Erkenntnis, dass ihre Gegenwart für Bruno ebenso peinlich sein musste, wie sein entblößter Zustand für sie. »Sie besitzen Ihre Dietriche noch?«
»Also, Signorina Barghini, das is wirklich …«
»Bitte, kein Firlefanz jetzt, es eilt. Es eilt enorm.« Sie hatte so wenig Zeit, aber für Bruno musste sie sich dennoch welche nehmen. Sein Zimmer roch wie eine Schankstube. Er schien sturzbetrunken zu sein. Sie nahm seine Hose vom Boden auf, wo er sie hatte fallen lassen. Der Geruch warf sie fast von den Füßen. »Hier hinein, Bruno … Vorsicht … und hier die Stiefel und … ja, genau, die Dietriche!«, lobte sie ihn, als er unter seine Matratze griff und seine unerlaubten Schätze ans Tageslicht beförderte.
»Wo sind die Schlüssel unten vom Kerker?«
Er stutzte und blinzelte. Sein Blick wanderte zu den Dietrichen, die er plötzlich hielt, als hätten sie sich in Nattern verwandelt. »Also Signorina …«
Sie sah ein Schlüsselbund an einem Nagel neben der Tür hängen und holte es sich.
»Signorina …«
»Es betrifft Sie nicht, Bruno. Sie werden jetzt unter Leute gehen und dafür sorgen, dass man Sie sieht. Trinken Sie noch ein bisschen, aber in Gesellschaft, unbedingt in Gesellschaft. Erzählen Sie, wie langweilig dieser Tag für Sie war. Nur – kein Wort von meinem Besuch. Haben Sie das verstanden?«
Ihr standen vor Kopfweh die Tränen in den Augen, und wahrscheinlich hatte Rossi ihre stummen Mahnungen gar nicht begriffen. Oder Lupori hatte keine Lust auf eine lange Unterhaltung … Natürlich hatte er Lust. Wie konnte er seinen Sieg besser auskosten, als wenn er sein Opfer sich winden sah?
»Sie warn nich hier?«
»Nein, Bruno. Das ist ganz wichtig.«
»Ich versteh das nich.« Der Sbirro humpelte zur Treppe und stieg vorsichtig die Stufen hinab. Der Laden war immer noch leer. Petronio musste in einem Hinterzimmer sitzen.
»Verschwinden Sie, Bruno. Und denken Sie daran, dass Sie in Gesellschaft kommen! So rasch wie möglich. Und nichts ist geschehen. Sie haben mich den ganzen Tag nicht gesehen.« Dass er das ja nicht vergaß.
Es war eine Tortur zu warten. Cecilia gab ihm einige Minuten. Dann verließ sie ebenfalls das Geschäft. Sie schaute verstohlen die leere Gasse entlang und huschte in den Garten, in dem der Uhrmacher sein Gemüse zog. Es war nicht schwer, das Kerkerfenster zu finden, denn es besaß als Einziges in der Reihe der Kellerfenster Gitter. Hübsches schwarzes Eisen, alles noch ziemlich neu. Cecilia kniete nieder – das war die Heldentat dieses Tages: mit ihrem Kopfweh in die Knie zu gehen – und pochte gegen das Glas.
Alle Welt schien heute zur Gemächlichkeit entschlossen. Es dauerte Ewigkeiten, bis Francesca sich rührte und ihr schwarzer Schopf unterhalb der Gitter sichtbar wurde. Sie musste sich recken, um Cecilia sehen zu können.
»Mache Radau. Richtigen Lärm.« Nicht so laut, haderte Cecilia mit sich selbst. Francesca starrte sie an. Sie hielt sie für verrückt, das war klar. Und wahrscheinlich war Lupori
Weitere Kostenlose Bücher