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Glaesener Helga

Glaesener Helga

Titel: Glaesener Helga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfe im Olivenhain
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befreien konnte.«
»Na, so ein Teufelsweib«, sagte der alte Mann und lächelte.
»Nun muss nur noch eines geschehen …«
    Es dauerte weitere fünf Minuten, bis Cecilia in den Palazzo zurückgekehrt war. Sie hörte Rossis Stimme aus dem Obergeschoss. Er sprach leise, beschwichtigend, demütig. Er hatte es nicht nötig, seine Gefühle zu spielen. Er litt wie ein Hund.
    Doch das wurde dreifach aufgewogen durch den göttlichen Moment, als Petronio in die Diele stürmte und mit theatralischer Stimme den Satz ausrief, den Cecilia ihm eingetrichtert hatte: »Giudice, Giudice – die Gefangene ist geflohen!«
    Rossi und Lupori kamen die Treppe herab, Lupori im Laufschritt, Rossi langsam hinterdrein. Leise schloss Cecilia die Tür zu ihrer ehemaligen Kammer. Sie nahm ein Kissen auf, das sich in einer Ecke fand, setzte sich auf den Boden und lachte hysterisch in den Stoff. Ja, reg dich auf, du kaltherziger Mistkerl, tob herum. Nun ist sie auf und davon. Und du bist es, der Rossi sein Alibi verschafft hat!
    Als die Tür knallte, barst ihr fast der Schädel. Rossi musste ein bisschen suchen, ehe er sie schließlich in dem Zimmerchen fand. Er half ihr auf die Füße, tastete mit einem »Tz tz« nach ihrer Beule … Und dann tat er, was er noch nie getan hatte – er küsste ihre Hand.
Leider hatten sie fast unmittelbar danach einen Streit. Cecilia wollte endlich heim in ihr eigenes Bett, und Rossi verbot es ihr.
»Warum?«
»Weil du dich nicht erinnern kannst, was an diesem verdammten Nachmittag geschehen ist.«
»Ich rufe dich, wenn es mir wieder einfällt.«
»Darum geht es nicht.«
»Worum geht es dann?« Kopfschmerzen verhalfen nicht eben zur Geduld. » Was? Was ist?«
»Ich möchte, dass du für ein paar Tage wieder hier wohnst. Oder meinetwegen auch woanders, wobei ich nicht wüsste, unter welche Fittiche du kriechen könntest. Bleib einfach hier.«
Cecilia schob es auf ihren hämmernden Schädel, dass sie ihn erst begriff, als er schon fast aus dem Zimmer war. »Das ist doch lächerlich! Wenn ich etwas gesehen hätte und der … Mensch« – der Mörder, die Bestie – »verhindern wollte, dass ich es weitersage, dann hätte er mich nie entkommen lassen.«
Rossi hielt unter dem Türholm inne und drehte sich um. »Das weiß man nicht.«
»Das weiß man doch. Er hätte mich … vom Wagen pflücken können …« Da waren sie schon wieder, die hassenswerten Tränen.
Rossi kam zurück. Mit sehr viel weicherer Stimme meinte er: »Cecilia – vielleicht hatte er Mitleid. Vielleicht hatte er Angst, dir etwas anzutun, weil du eine Außenseiterin bist, … weil du einflussreiche Freunde besitzt, … weil du reich bist, oder was er dafür hält … Vielleicht war er auch ein Mal ein anständiger Mensch, der nur Feretti hasst. Vielleicht kam ihm etwas dazwischen. Aber nun hat er Zeit zum Nachdenken gehabt, und ihm muss klar geworden sein, wie gefährlich es für ihn ist, wenn dir wieder einfällt …«
»Das ist Spekulation.«
»Alles ist Spekulation.«
»Ich hasse dich«, sagte sie. Theatersprache. Sie hasste ihn natürlich nicht. »Vielleicht … ist er ein Irrer. Einer, der im Asyl bellt. Einer, der nicht gern die Zuschauerin verlieren wollte, die sich so prächtig erschrecken lässt.«
»Was?«
»Auch alles Spekulation.« Sie rauschte hinaus, knallte die Tür – ebenfalls theaterreif, nur dass es ihr fast den Kopf vom Hals riss –, packte den Mantel, stellte fest, dass der Saum dunkel verfärbt war, begriff die Bedeutung, ließ ihn fallen, wischte sich über die Nase und stürmte aus dem Haus.
Es war ein Segen, wieder in der eigenen Wohnung zu sein und im eigenen Bett zu liegen, auch wenn hier alles nach dem Kampfer der toten Signora Secci roch. Wenigstens machte hier niemand Lärm.
    Sie war eingeschlafen und wachte davon auf, dass ein ungewohntes Geräusch an ihr Ohr drang. Zunächst war ihr nicht klar, worum es sich handelte. Beunruhigt drehte sie den Kopf im Kissen und lauschte.
    Schritte?
Es war noch nicht Nacht geworden, aber die Sonne hatte an Kraft verloren, und im Zimmer herrschte Zwielicht. Sie bemerkte einen Fettfleck an der Decke, ein dunkles Gebilde, das die Form eines galoppierenden Pferdes hatte.
    Schon wieder … Wsch … Wsch … Schritte? Schlurfende, schleichende Schritte? Ihr wurde flau im Magen.
    Dann lachte sie auf. Mit einer Grimasse griff sie an den Kopf, dem das Lachen nicht bekam. Diese dreimal verfluchte deutsche Uhr. Wsch , Wsch … Die Zeiger strichen am Glas entlang. Ich bin nicht verrückt,

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