Glaesener Helga
längst fort, und was sie jetzt vorhatte, würde Rossi das Genick brechen. Wenn es überhaupt gelang. »Radau! Lärm!«
Francesca humpelte davon, kurz darauf kehrte sie mit ihrer Krücke zurück, und … Klirrrrr … die Scheibe barst. Das war nicht der Plan. Egal.
Cecilia huschte davon, zurück zur Straße, zurück in den Laden … Ah ja, Petronio war in den Keller geeilt. Sie hörte ihn unten mit seiner zarten, höflichen Altmännerstimme protestieren. Francescas Antwort war nicht zu verstehen.
Rasch schlüpfte Cecilia die Stufen hinab. Sie stieß sich den Kopf an einem Balken, und einen Moment lang stand sie stille und wartete, dass ihr Gehirn explodierte. Es geht schief, es geht alles schief … Aber sie schaffte es dennoch hinter die Kisten, die Petronio im Kellerflur stapelte, um seine Uhren transportieren zu können. Dort wartete sie.
Einen Menschen dazu nötigen, seine Liebste an den Folterknecht auszuliefern … Lupori, du Scheißkerl, dachte sie, und ihre Augen füllten sich wieder mit Tränen, teils wegen der Kopfschmerzen, teils aus Mitleid. Die Liebe brachte nichts als Scherereien. Da hatte man wieder den Beweis.
Petronio hielt durch die Zellentür eine kleine Rede, in der er Francesca vor Augen führte, wie teuer die Reparatur eines Glasfensters sei und wie schlecht gefüllt die Gemeindekasse und dass es ihr sicher nicht recht wäre, wenn man sie für diese finanzielle Belastung haftbar mache. Francesca schien nicht beeindruckt, jedenfalls gab sie ihm keine Antwort.
Er humpelte zurück – und da entdeckte er Cecilia.
»Ich bin nicht hier, Sie sehen mich nicht.« Es klang noch lächerlicher als oben bei Bruno.
»Ich sehe Sie nicht?«
»Um unserer Freundschaft willen«, sagte sie, obwohl sie überhaupt nicht mit Petronio befreundet war. Wenn überhaupt, dann war er mit Rossi befreundet. »Gehen Sie nach oben, Signore Verri, ich flehe Sie an. Vergessen Sie mich. Sie waren nur hier unten, um Signorina Brizzi zur Ordnung zur rufen. Mehr ist nicht geschehen.«
Ratlos schaute er sie an.
»Für Rossi. Tun Sie es für ihn. Es geht ihm an den Kragen. Lupori ist bei ihm.« Begriff er, dass der Name Lupori Unheil bedeutete? Wussten die Leute in Montecatini überhaupt um das schlechte Verhältnis zwischen den beiden Richtern?
»Tacito Lupori?«
»Er will ihm die Haut abziehen – bei lebendigem Leib.«
Cecilia sah das Interesse, das in den alten Augen aufblitzte. Es kündete nicht von Neugierde, sondern von Besorgnis. Der Uhrmacher schien tatsächlich mit Rossi befreundet zu sein.
»Gehen Sie hinauf, Signore, und vergessen Sie, dass Sie mich gesehen haben.«
»Das würde ihm helfen?«
Cecilia nickte.
Umständlich umfasste der alte Mann seine Krücke und erklomm die Treppe. Keine Zeit für Dankbarkeit. Der Plan, der Plan … Mit zittrigen Händen öffnete Cecilia die Zellentür. Francesca humpelte heraus. Ihr Gesicht war dunkel vor Müdigkeit.
Cecilia warf den Dietrich vor der Tür zu Boden. »Und jetzt hinaus.«
»Was wird denn das?«, fragte die Seifensiederin misstrauisch.
Der Plan entglitt ihr. Wie sollte Francesca durch das Geschäft kommen? Würde Petronio zulassen, dass die Gefangene entfloh? Er war so schwer einzuschätzen. Wie viel hielt eine Männerfreundschaft aus?
»Durch den Laden oder durch das Fenster hier?«, fragte Francesca nüchtern.
»Sie könnten durch das Fenster klettern?« Cecilia warf einen hoffnungsvollen Blick auf die kleine Maueröffnung bei der Treppe, die im Gegensatz zum Kerkerfenster nicht vergittert war.
Francesca lachte.
»Sie müssen sich verstecken. Sie müssen für eine lange Zeit verschwinden, verstehen Sie das? Lupori ist Ihnen auf den Fersen.«
»Hätte ich mir denken können. So ein Dreckskerl.« Francesca humpelte die Stufen hinauf und öffnete das Fenster. Sie brauchte keine Hilfe, um hinauszugelangen. Ihr Körper war geschmeidig und so muskulös wie der eines Mannes. Nicht einmal die Kleider störten sie. Als sie ihr Holzbein durch die Öffnung gezogen hatte, drehte sie sich noch einmal um. »Danke.«
Cecilia kehrte in den Laden zurück, wo Petronio sie geflissentlich übersah. Sie trug den Schlüssel in Brunos Zimmer zurück und hängte ihn an den Nagel.
»Was ist denn nun los?«, fragte der Uhrmacher, als Cecilia in sein Ladenzimmer zurückkehrte.
»Das weiß niemand. Sie waren in Ihrem Hinterzimmer. Irgendwann sind Sie in den Kerker hinabgestiegen, um eine Kiste zu holen, und haben entdeckt, dass sich die Gefangene mithilfe von Dietrichen, die man ihr zugesteckt hat,
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