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Glaesener Helga

Glaesener Helga

Titel: Glaesener Helga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfe im Olivenhain
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wenn man so hört, was die Leute erzählen.«
    Schlag fester … Cecilia wandte sich ab, damit die beiden nicht sahen, wie sie sich auf die Lippe biss. »Sie wissen nicht zufällig, ob es Francesca gut geht?«
    »Sie ist eine tüchtige Frau, und deshalb wird sie zurechtkommen.« Auf Alfredos altem Gesicht kräuselten sich die Falten, als lachte er heimlich in sich hinein, und Cecilia war sicher, dass er den Aufenthaltsort der Seifensiederin kannte.
    Leo war der Sohn seiner Schwester, erfuhr sie. Der Junge hatte einen Zwillingsbruder gehabt, Alceste, aber der war leider gestorben im vergangenen Jahr, als die Orchideen zu blühen begannen. Bitter. Ein braver Bursche.
    Leo schrubbte an Farbe herum, die auf die Dielen getropft war und einen Fleck hinterlassen hatte. Ihm standen Tränen in den Augen, und Cecilia dachte bekümmert, wie schnell man doch vergaß, dass auch andere Leute ein Schicksal hatten, mit dem sie zurechtkommen mussten.
    »Ist er krank gewesen?«
»O ja. Seine Krankheit hieß Hoffnungslosigkeit«, sagte Adolfo. Leo ließ abrupt seinen Lappen fallen und ging hinaus. Sie hörten, wie die Wohnungstür klappte. Der alte Mann seufzte. Dann begann er wieder mit langsamen, gelassenen Bewegungen zu streichen. »Die Krankheit grassiert, Signorina, seit sie die Teiche trockenlegen und die Fische sterben. Ich habe Männer gesehen, nicht älter als vierzig, die schwanden einfach dahin. Eines Morgens finden ihre Frauen sie tot im Stroh. So ist das, wenn man die Hoffnung verliert. Ich sage zu den Jungen: Sucht euch Arbeit. Geht fort. Dann fragen sie, wohin, und dann weiß ich keine Antwort. Die Mönche von Santa Maria della Fontenuova haben eine Armenküche eingerichtet, die von den Damen aus Monsummano eifrig unterstützt wird. Aber das reicht ja nicht für alle, nicht mal für viele. Und niemandem erhält es den Stolz.«
»Schlimm«, sagte Cecilia und dachte an das, was Rossi zu ihr über die Linie gesagt hatte, die den Stolz und die Angst vor dem Verhungern voneinander trennte. Adolfo hatte die Linie noch nicht überschritten, andere aber offenbar schon. Bevor er ging, fragte sie, ob es ihm und Leo möglich wäre, auch noch die anderen Zimmer zu streichen. Er lächelte, und sie hoffte, dass ihr Angebot nicht allzu sehr nach Almosen geklungen hatte.
    Als Cecilia Tage später den Palazzo besuchte, erzählte sie Rossi von Adolfos Besuch.
    Der Richter saß müde in seinem Arbeitszimmer vor einer selbst gezeichneten Karte der Umgebung und starrte mit roten Augen auf Markierungen und Bemerkungen, die er hineingeschrieben hatte. Das Haus neben dem dicken schwarzen Kreuz war vermutlich der Ort, an dem Feretti verschleppt worden war.
    »Warum unternimmt niemand etwas?«
    Er blickte auf. »Es wird viel gehungert in unserem Land. In diesem Fall ist es natürlich besonders schlimm. An die hundertfünfzig Familien sind auf einen Schlag verarmt. Leandro Cardini ist am Verzweifeln. Bettelei ohne Lizenz, Diebstahl, besonders auf den Märkten … Aber ansonsten unterscheidet sich ihre Situation in nichts …«
    »Wieso Lizenz?«
»Weil in der Toskana zum Betteln eine Lizenz notwendig ist. Gesetz seit Sechsundsechzig. Ausländische Bettler sind auszuweisen, toskanische dürfen nur noch in ihren Heimatstädten betteln. Mit Lizenz.«
»Wie kann man von jemandem ein Formular verlangen, der am Verhungern ist?«
»Er kann froh sein, wenn er es bekommt. Um Lupori zu zitieren: Man soll es ihnen nicht zu rasch geben, weil sonst die Armut zum Beruf wird.«
»Adolfo hat gesagt, sein Neffe sei umgekommen. Eines Tages hat er einfach tot im Stroh gelegen.«
»Nun ja.«
»Warum nun ja? «
»Er hat sich aufgehängt.« Rossi machte ein Fragezeichen neben eine kleine Ansammlung von Dächern auf seiner Zeichnung.
»O Gott!«
Er strich das Fragezeichen wieder aus. Missmutig lehnte er sich zurück und schaute zum Fenster, auf dem eine dicke Staubschicht die Sicht vernebelte.
Cecilia ging zur Tür, aber sie stockte, als sie das Zimmer verlassen wollte. »Und wenn nun doch …«
»Was?«
»Die Fischer sind so verzweifelt und wütend und machen alles kaputt. Was, wenn Abate Brandi sich doch hat hinreißen lassen …?«
»Mario umzubringen?«
Sie nickte.
»Ich traue ihm zu, jemanden zu erwürgen oder zu erschlagen, wenn er ihn auf frischer Tat ertappt, aber das mit den Hunden … nein! Außerdem hätte er keinen Grund gehabt, sich an Feretti zu vergreifen.« Rossi schüttelte entschieden den Kopf.
»Was ist das für eine Karte?«
»Ich war mit Ferettis

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