Glaesener Helga
ist, die ihn zum Verstummen brachte.«
»Was könnte es sonst sein?«
»Vielleicht will er ja nicht reden?«
Rossi machte ein nachdenkliches Gesicht, über das Billings lachen musste. »Das meine ich nicht im Ernst. Natürlich will er sich aussprechen, denn das ist das natürliche Bedürfnis des Menschen. Er braucht nur Zeit, um wieder zu sich selbst zu finden.«
»Er redet nicht, weil er Angst hat.«
»Ja, vielleicht.«
»Hilf mir hier raus!«
»Nein«, sagte Arthur und blickte auf einmal stur.
»Ich will selbst mit ihm sprechen.«
»Er läuft dir nicht davon.«
Rossi versuchte sich aufzurichten. »Er läuft mir doch davon. Er hat kein Verbrechen begangen. Sobald ihm das klar ist, wird er darauf bestehen, aus dem Gefängnis entlassen zu werden. Und ich kann nichts dagegen tun.«
»Du bleibst im Bett«, erklärte Arthur und drückte seinen Kranken ungerührt ins Kissen zurück.
»Willst du Arthur nicht ein bisschen über Vincenzo erzählen?«, verlangte Rossi rachsüchtig von Cecilia.
»Vincenzo, ja …« Cecilia tat ihm den Gefallen, und Arthurs Miene verfinsterte sich und wurde zorniger mit jedem schockierenden Detail, das er über seinen Schützling erfuhr.
»Und das alles ist sicher?«
»Sie hat es erzählt, wie wir es in Pistoia gehört haben«, sagte Rossi.
»Seine Schwester also …« Arthur war so wütend, wie Cecilia es bei dem sanftmütigen Mann noch nie erlebt hatte.
»Was bei den Soldaten vorgefallen ist, wäre auch noch eine Untersuchung wert«, stichelte Rossi.
»O ja! Ich werde einiges unternehmen müssen. In der Tat. Das werde ich. Wenn Sie mich entschuldigen, meine Liebe.« Arthur hauchte einen Kuss über Cecilias Hand, packte seine Tasche und wandte sich zur Tür. »Und der da …« Er nickte in Richtung Bett. »… bleibt, wo er ist.«
Rossi hütete also das Bett, aber nur bis zum Nachmittag des folgenden Tages. Als Cecilia Dina den Mantel anzog, um zu einem Spaziergang aufzubrechen, hörte sie, wie er oben durch sein Zimmer humpelte, und als sie zurückkehrte, lag er auf der Chaiselongue in seinem Arbeitszimmer und grübelte.
»Das wird Arthur nicht freuen.«
»Bringst du mir Schokolade?«
Sie sah sein bedrücktes Gesicht, und das Herz wurde ihr schwer. »Ist schon wieder etwas Schlimmes geschehen?«
»Nichts Unerwartetes. Lass Anita die Schokolade rühren. Es ist nicht deine Begabung.«
Sie kehrte fünfzehn Minuten später mit dem Gewünschten in sein Zimmer zurück. »Irene sagt, Bruno sei hier gewesen.«
»Ja.« Er nickte und starrte in seinen Becher und stellte ihn zur Seite, ohne einen einzigen Schluck getrunken zu haben. »Leo hat das Gefängnis verlassen, so wie ich prophezeit habe. Bruno wollte ihn umstimmen. Aber der Junge hat ihm nicht mal zugehört. Er hat seine Stiefel angezogen und ist ab durch die Tür.«
»Vielleicht besinnt er sich eines Besseren, wenn ein paar Tage vergangen sind.«
»Nein.«
»Warum nicht?«
»Ich habe ihm ins Gesicht gesehen, an dem Abend, als wir ihn befreit haben. Er hat damals einen Entschluss gefasst. Er hat sich vorgenommen zu schweigen und sein Geheimnis mit ins Grab zu nehmen.«
»Du redest wie im Bauerntheater«, versuchte Cecilia einen Scherz.
Rossi grunzte. Die Linien in seinem Gesicht traten schärfer hervor.
»Warum sollte Leo dir verschweigen wollen, wer ihn gequält hat?«
»Das weiß ich nicht«, sagte er. »Ich weiß es nicht. Lass mich nachdenken, ja? Sei so gut.«
Er schlief in seinem Arbeitszimmer, und als Cecilia ihn am nächsten Morgen aufweckte, stand die Schokolade unberührt auf dem Boden. Ungeduldig schickte er nach Bruno und entließ ihn nach einer Stunde wieder, ohne dass sie viel weitergekommen zu sein schienen. Cecilia nötigte ihn zu einem Stück Brot mit Käse und saß bei ihm, während er es widerwillig mit etwas Wein hinunterspülte. Auch dieser Tag verging. Und der nächste. Rossi stand auf, und es ärgerte ihn, dass er immer noch humpeln musste. Sie wusste, dass er über seinen eigenen Körper wütend war. Ein Hundebiss. Bringt doch einen Kerl nicht um, der es aus der Gosse in die Compilations-Kommission des Granduca geschafft hatte …
Gegen Mittag kam Giudice Cardini, um ihm zu sagen, dass er nichts Neues herausgefunden habe. Die Höhle war seit Monaten, seit dem vergangenen Herbst, nicht mehr betreten worden. »Diese Schwefelquellen stinken zu sehr. Ein ideales Versteck. Tut mir wirklich leid.« Sie hatten weder Kleider noch sonst etwas gefunden, was ein Licht auf die Identität des Entführers hätte werfen können.
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