Glaesener Helga
unakzeptabel war.
Und dann erblickte sie Inghiramo. Signore Secci war neben seine Frau getreten, um ihr etwas zuzubrummen, und als er die Sicht wieder frei gab, sah sie den Dichter an der Wand lehnen. Als hätte ihn ein Geist dort abgesetzt. So war er immer aufgetreten. Herbeigezaubert und entschwunden wie jemand, der mit den Feen und Faunen im Bunde steht.
Cecilia fühlte, wie ihr Herz schneller puckerte. Sie schaute auf ihre Schuhe und versuchte, gelassen zu bleiben, während das Blut in ihre Wangen schoss und ihre Knie zitterten …
Merkwürdigerweise nahm sie diese körperlichen Reaktionen zur Kenntnis, als bestünde sie aus zwei Personen. Eine davon erlebte die Gefühle, die andere beobachtete und wertete sie. Der Zauber wirkt also immer noch, konstatierte die beobachtende Cecilia. Die erlebende protestierte: Nein, er wirkt nicht mehr. Denkst du, eine Flasche Wein und ein Herzschmerztriefender Brief reichen aus, mich die Hölle vergessen zu lassen, Inghiramo? Nichts von dem, was sie zu Rossi gesagt hatte, stimmte. Sie hasste diesen Mistkerl.
Der Mistkerl lächelte geistesabwesend in den Saal. Cecilia spürte, dass ihm das Spektakel gefiel. Am meisten amüsierte ihn Signora Seccis Bemühen, gelassen und gut gelaunt zu erscheinen. Ein schwarzer Mann, der bunte Seifenblasen durcheinanderwirbelte. Ein Mephisto. Der Puck, der die Tumben zum Narrentanz schickte, so wie er sie selbst damals in den Tanz geschickt hatte – das schwärmerische Prinzesschen, das den eigenen Träumen gutgläubig in die Gartenlaube folgte.
Inghiramo hatte sie entdeckt und hob grüßend die Hand.
Als wäre es ein Zeichen, setzte Musik ein. Die Tänzerinnen auf dem Tisch begannen sich zu drehen. Dass sie dabei nichts umstießen, war eine Kunst, für die man sie bewundern musste, angesichts unzähliger Kristallgläser und Leuchter. Ihre Füße steckten in zierlichen grünen Seidenstrümpfen, die ihnen wahrscheinlich Signora Secci spendiert hatte. Sie knicksten spöttisch vor dem Arlecchino und drehten sich schneller. Ihre Röcke wirbelten auf, immer höher, und schließlich sah man, was sie darunter trugen – gar nichts nämlich. In der Stille, die diesem schockierenden Anblick folgte, hörte man den aufgeregten Schluckauf einer Dame. Und schon war es wieder vorbei.
Dafür fliegst du raus, Inghiramo, dachte Cecilia. Dem schwarzen Tunichtgut musste derselbe Gedanke gekommen sein, denn er trat neben Signora Secci, und man sah, dass er sich entschuldigte. Ein Klatschen seiner Hände, und seine Leute verließen Purzelbaum schlagend den Raum.
Das Stimmengewirr setzte wieder ein. Signora Secci fächelte sich aufgeregt Luft zu und zischelte einer anderen Dame, die ihr ähnlich sah und wahrscheinlich zur Verwandtschaft gehörte, etwas zu.
»Signorina?« Einer der Diener bot Cecilia roten Wein dar, den sie dankbar entgegennahm.
»… weiß ich auch nicht.« Neben Rossi war ein junger, blasser Mann in Uniform aufgetaucht. Sein Blick hing verklärt am Tisch, als tanzten dort immer noch die freizügigen Schönen, während er gleichzeitig dem Giudice eine Auskunft zu erteilen schien. »Sie sollten Ulisse fragen. Der kennt dort beinahe jeden. Er war acht Jahre bei den Dragonern … Mann, haben Sie das gesehen?«
Rossi stemmte sich in die Höhe und humpelte auf eine Gruppe Soldaten zu, die ein hübsches Mädchen mit schwarzen, zu einer komplizierten Frisur geflochtenen Locken umringten. Cecilia sah, wie er etwas fragte und dann mit einem der Uniformierten zur Seite trat.
»Du hast gelacht.«
Wie vom Blitz getroffen, zuckte sie zusammen. Wein tropfte über ihre Finger, und im Bruchteil einer Sekunde kehrte alles, was gerade eben verebbt war – Schwindel, Herzpuckern, Blut in den Wangen –, zurück. Langsam, um Fassung bemüht, drehte sie sich um, während sie gleichzeitig den Wein absetzte. »Tatsächlich? Habe ich?«, fragte sie kühl.
Inghiramo reichte ihr mit einer Verbeugung eine Rosenblüte, die er aus einer der Blumenschalen stibitzt hatte. »Der Dichter reibt sich auf, um einen Schatten der Wahrheit einzufangen. Er greift in seinen Farbkasten, malt diesen Schatten an und präsentiert ihn auf der Bühne – nur um festzustellen, dass er zu grell oder zu blass geraten ist. Aber heute Abend stimmten die Farben. Du hast dich amüsiert.«
»Nicht über diese Posse.«
Inghiramo kam ihr so nahe, dass seine Worte auf ihrer Ohrmuschel prickelten. »Du hast gelacht .«
Der Schwindel ließ nicht nach. Sie roch den Duft seiner Haut – und es war nicht das Bild
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