Glaesener Helga
des Gartenhäuschen, das er heraufbeschwor, sondern die rauschenden Abende im Theater in Gold und Weiß, mit verstohlenen Blicken, in beseelendem Glück. Verdammt ! Inghiramo reichte ihr ein Glas Champagner und stellte sich neben sie. »Sie blökt und bockt – aber sie bleibt in der Furche.«
»Es ist schrecklich, so etwas zu sagen.«
»Nein, es ist schrecklich, wenn die Federn gezogen werden und das nackte Hühnchen sich als hässlich entpuppt. Aber ich bin nicht Gott. Ich habe das Hühnchen nicht erschaffen. Ich bin nur der Harlekin, der die Federn wirbeln lässt.«
Cecilia sah, dass Rossi, der immer noch mit dem Dragoner sprach, sie beobachtete. Leise und akzentuiert sagte sie: »Verschwinde.«
Inghiramo nickte, machte aber keine Anstalten, der Zusage Taten folgen zu lassen. Bedächtig nippte er an seinem Champagner.
»Du hast sie bloßgestellt«, fauchte Cecilia.
»Ist das nicht des Dichters Profession? Ist das nicht die Rechtfertigung unserer ansonsten armseligen Existenz? Wenn du mir verbietest, bloßzustellen, verbietest du mir, zu sein, was ich bin.«
Alles Quatsch. Die nackten Hinterteile würden Signora Secci bis ans Ende ihrer Tage verfolgen. Das Gelächter ihrer Gäste würde durch ihre Träume hallen. Und auch wenn sie anstrengend war und von oben herab und intrigant … »Du warst herzlos …«
»Und das soll das Thema der Predigt sein, die du mir halten willst? Sei gnädig, Cecilia. Lass uns die Zeit nutzen, bis unsere Gastgeberin mich hinauswirft. Sie hat aufgetischt. Kandierte Blüten, Schokoladenteufelchen, Dörrobstkrapfen, Honigmilch …«
»Ich werde …«
»… gehen«, sagte Rossi, der, wie aus dem Boden gewachsen, plötzlich neben ihnen stand.
Inghiramo blickte einen Moment ins Leere, seine Lippen kräuselten sich. »Und auch Ihnen einen schönen guten Abend, Giudice Rossi. Allerdings amüsiert sich die Dame, wie es scheint, gerade blendend. Wäre es nicht besser, Sie eilten ihr voraus? Es würde mir nicht die geringste Mühe bereiten …«
»Hör zu, du Wicht. Du lässt sie in Ruhe. Du behältst deine schmierigen Finger bei dir, ist das klar?« Rossi mochte keine Umschweife, schon gar nicht bei einem Reimeschmieder, schon gar nicht, wenn er Schmerzen hatte, und die machten ihm zu schaffen, wie sie an der Falte zwischen seinen Augen sah. »Komm, Cecilia!«
»Finden Sie sich nicht ein wenig …«
»Nun mach schon«, unterbrach er den Dichter ruppig. »Wir haben es eilig.«
Cecilia zögerte. Komm – in einem Tonfall, als wäre sie ein Hund, ein Anhängsel, über das man nach Belieben verfügte. Etwas in ihr wollte protestieren, und vielleicht hätte sie es tatsächlich getan, wenn Inghiramo nicht genau das von ihr erwartet hätte. Sein verstohlenes Grinsen verriet ihn: Hilf mir , Schutz , lass uns ihm eins mit der Ratsche überziehen . Wir halten uns nicht an das , was man uns befiehlt …
»Ich bin fertig.«
Und im nächsten Moment waren sie auch schon hinaus.
Rossi nötigte sie in die Kutsche. »Wir müssen zu Arthur.«
»Warum denn das?« Der Wind pfiff in ihre Gesichter und fing sich im Verdeck der Vittoria. »Warum müssen wir zu Arthur?«
Die Peitsche knallte, und Emilia setzte sich, mehr beleidigt als erschrocken, in Bewegung.
»Dieser Mann, mit dem ich eben geredet habe …«
»Der Soldat?.«
»Er kannte Vincenzo. Er war mit ihm im selben Regiment. Er sagt, dass Vincenzo als Unteroffizier einen Trupp in die Schlacht geführt hat.« Rossi erzählte, während sie in die Straße hinauf nach Montecatini Alto abbogen. Die Attacke damals war misslungen, es wurde zum Rückzug geblasen. Aber Vincenzo befahl seinen Männern, im Feld zu bleiben.
»Besonders tapfer?«
»Vincenzo hat jemandem das Bajonett abgenommen und begonnen, auf den Feind einzustechen. Wie ein Verrückter, behauptet Ulisse. Seine eigenen Leute rissen ihn schließlich mit sich – und da richtete er die Waffe auf die Retter. Fünf hat er umgebracht, mehrere andere zu Krüppeln gemacht.«
»Die Angst hat ihm also tatsächlich den Verstand geraubt?«
»Dieser Dragoner meint, nein, das sei anders gewesen. Er sagt, Vincenzo hat das Gemetzel genossen. Er sagt, Vincenzo habe es immer schon geliebt zu töten. Er sagt, er war schon verrückt, als sie ihn bekamen.«
»Im Grunde doch nichts wirklich Neues. Warum müssen wir dann so eilig …«
»Weil Ulisse behauptet, der Irre lebt wieder bei seinen Eltern.«
Arthur kam in seinem wattierten Hausmantel, dick gepolsterten Pantoffeln und einer rot-gelb gestreiften Schlafmütze in das
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