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Glaesener Helga

Glaesener Helga

Titel: Glaesener Helga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfe im Olivenhain
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Arbeitszimmer. »Ich habe es befürchtet.« Er fühlte Rossi die Stirn und wetterte über die menschliche Unvernunft. Brüsk tastete er nach dem Puls des störrischen Patienten.
»Arthur …«
»Du wirst auf der Stelle heimfahren und dich ins Bett legen. Cecilia, sperren Sie die Tür ab, wenn es sein muss. Ich habe Verständnis für die Nöte kranker Leute, aber ich habe kein Verständnis für Menschen, die ihre Krankheit aus purem Eigensinn verschlimmern.«
»Ich werde heimgehen, Arthur. Ich lege mich ins Bett. Ich schließe die Tür selber ab. Sag mir nur eines: Der Junge ist doch noch hier?«
Der Arzt fragte nicht, welchen Jungen Rossi meine. Er trat zum Fenster und verschränkte die Arme über der Brust. Nach einem Moment des Schweigens sagte er: »Ich habe Vincenzo Camporesi von seiner Familie abholen lassen. Sein Vater ist gestern gekommen und hat ihn mit sich genommen.«
Rossi schloss die Augen.
»Ich bin Arzt, Enzo. Und ich kann einem Menschen nicht helfen, wenn ich von ihm und seiner Familie belogen werde. Das habe ich Signore Camporesi gesagt. Nicht Vincenzos Krankheit – die Lügen machen es mir unmöglich, den Jungen weiter zu behandeln.«
»Er ist gefährlich«, protestierte Cecilia. »So jemanden darf man doch nicht einfach in die Freiheit entlassen.«
»Aber liebe Cecilia – er kann mit diesen schrecklichen Hundemorden nichts zu tun haben, das steht fest. Als Enzo von den Hunden gebissen worden ist, war er hier, hinter diesen Mauern, eingesperrt.«
Das hatten sie schon tausendmal erörtert.
»Und wenn er frei gewesen wäre – würdest du ihm die Morde dann zutrauen?«, fragte Rossi.
»Es war aber nicht frei. Warum müssen es immer die Irren gewesen sein, wenn etwas Schreckliches geschehen ist?«
Arthur hat recht, dachte Cecilia mit schlechtem Gewissen. Aber dann sah sie Vincenzo vor sich: ein wirres Geschöpf, das Roberta, die vielleicht mehr vom Irresein verstand als sogar Arthur, in den Farben des Fegefeuers gemalt hatte. Skrupellos, tatendurstig, grausam, ungezähmt. Wau !
Vincenzo war vielleicht irr, aber er war auch gerissen. Wenn er aus dem Asyl hinausgewollt hatte, hatte er auch einen Weg gefunden, davon war sie überzeugt. Vielleicht tatsächlich durch Robertas Malleidenschaft. In Cecilias Kopf stiegen Bilder auf, wie er die Hunde auf Mario hetzte, wie er sich an Ferettis Leiden ergötzte, wie er Leo in eine Angst versetzte, die dem Jungen den Mund verschloss, weil er nicht daran glaubte, dass ein wahnsinniges Wesen, das offenbar mühelos die Gitter des Irrenasyls überwand, zu bezwingen sei.
Hatte Vincenzo sich einen Kumpan gesucht, den er bezahlte, um seine schrecklichen Phantasien in die Tat umsetzen zu können? Oder der sie gar teilte? Ein ehemaliger Diener? Ein Spielgefährte? Jemand, der sich vor ihm fürchtete und ihm deshalb half? Für einen reichen Verrückten gab es unendliche Möglichkeiten.
»Warum immer die Geisteskranken?«, wiederholte Arthur müde.
»Es geht nur um die, denen das Quälen Freude macht«, sagte Rossi. »Ich hätte ihn ja nicht gleich mitgenommen. Aber gesprochen hätte ich gern mit ihm.«
»Und das hätte ich nicht erlaubt. Und um deiner nächsten Frage zuvorzukommen: Auch bei seinen Eltern wirst du damit kein Glück haben. Sie werden dich nicht zu ihm lassen.« Arthur war es gleich, was Rossi von ihm dachte, aber Cecilias Blick kränkte ihn. »Ich führe ein Spital, meine Liebe, kein Gefängnis. Aber ich habe seinem Vater natürlich dennoch ans Herz gelegt, ihn nicht aus den Augen zu lassen. Wir sind uns über die Gefahr, die von ihm ausgeht, einig.«
Rossi war zu erschöpft, um sich aufzuregen. Langsam stemmte er sich hoch und wischte den Schweiß fort, der ihm über die Schläfe perlte. »Kann ich wenigstens sein Zimmer sehen?«
    Der Raum, in den Arthur sie führte, war mit Möbeln bestückt, die ganz gewiss nicht aus der Börse des Asyls bezahlt worden waren. Kleine hölzerne Kostbarkeiten, das meiste aus England, wie Cecilia annahm. Alle litten darunter, dass Vincenzo auf sie eingedroschen, mit ihnen geworfen oder was auch immer getan hatte. Einiges war geleimt worden, aber fast überall fehlten Griffe und waren Ecken abgeplatzt, und die Furniere wiesen Dellen und gesplitterte Stellen auf. In einer Stuhllehne befanden sich Bissspuren.
    Rossi begann die Möbel zu durchsuchen. Das fiel ihm mit seinem Bein schwer, aber er wurde ungehalten, als Cecilia ihm helfen wollte. Verbissen fuhr er mit der Hand unter den Schubladenböden entlang, ertastete Ecken – er

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