GLÄSERN (German Edition)
war ich froh, sie für meinen Seelenfrieden dabei zu haben.
Der berittene Jäger tänzelte plötzlich lächelnd neben meinem Fenster her. Er nickte in Richtung der Gepäckkutsche. »Bist du auch sicher, dass du nichts Zuhause vergessen hast? Dein Waschtischchen etwa? Eine Schmusekatze? Mit Körbchen? Oder gar deine Kleidertruhe?«
Ich beschloss erneut, mich nicht reizen zu lassen. »Ich bin gern vorbereitet. Schließlich wissen wir nicht, wie lange wir unterwegs sein werden und zu welchen Anlässen es noch kommt«, erwiderte ich schnippisch, die Nase tief in meinem Buch. »Mehr als die Hälfte gehört immerhin ihr.« Ich deutete mit dem Daumen kurz auf Giniver. Sie sah mich empört mit gerunzelten Brauen an und Kieran lachte laut. »Der Lord hat sein Gepäck übrigens zurückgelassen«, stellte ich klar. »Und eine Schmusekatze habe ich seit … langem nicht mehr. Seit Wochen schon.«
Er lachte abermals zu laut und zu lange, was, wie ich finde, immer ein wenig bäuerlich wirkt, und als er endlich aufhörte, stellte er nochmals die Frage, der ich bis jetzt eine Antwort schuldig geblieben war.
»Nun«, ich räusperte mich geräuschvoll. »Seit unserer Abreise wird also Lord Sandford von Lady Amaranth beobachtet. Ihre Augen blickten ihm in seinen Getränken, in allen möglichen Gewässern und sogar in seiner Waschschüssel entgegen. Er zerbrach bei unserer letzten Rast im Pub sogar beinahe daran. Er mied seit Tagen jegliche Art von Flüssigkeiten!«, berichtete ich.
Kieran wirkte unbeeindruckt. »Stimmt. Man konnte es wahrlich riechen«, meinte er trocken.
Unerträglich, diese Arroganz.
»Ich meine es ernst, Kieran!«
Ich ahnte oftmals, dass er die Zaubereien der Lady kannte und fürchtete. Und davor wiederum fürchtete ich mich. Er erschien mir immer stark und unantastbar. Dagegen hatten mich ihre regelmäßigen Heimsuchungen verschont, lediglich einmal, als ich die Rasur vor meinem Spiegel vornahm, erschreckte mich das kurze Aufblitzen ihrer roten Iris so sehr, dass ich tagelang eine unschöne Scharte am Kinn überdecken musste.
Kierans Stimme unterbrach meine Gedanken: »Meine Meinung ist, unser Freund Sandford zeigt keineswegs sein wahres Gesicht. Es verbirgt sich mehr unter einer wilden, tumben Oberfläche; wenn wir Pech haben, ist er sogar mit Klugheit gesegnet; oder, noch schlimmer, Bauernschläue, die uns noch einmal gefährlich werden kann. Lass uns lieber auf der Hut sein, auch wenn das nicht in deinem Naturell liegt, Frederick.«
Er hatte Recht. Des Wassers Oberfläche ist wie die Seele der Menschen. Unangetastet liegt sie ruhig da. Eine leichte Brise kräuselt das Wasser ein wenig, doch ist es noch immer ruhig. Starker Wind lässt es schwanken. Durchbricht etwas die Oberflächenspannung, so zerteilen kleine kreisrunde Wellen das klare Bild, manchmal beruhigt es sich sogleich wieder, manchmal sind die Wellen so stark, dass sie eine ganze Weile nicht zur Ruhe kommen. Wirft man etwas hinein, peitscht es einen Teil der beschädigten Oberfläche auf und verliert so ein wenig seine ursprüngliche Form. Doch auch verschlingt es das geworfene Objekt in einem Strudel und gibt dieses nur selten wieder frei. Der Jäger zwinkerte mir zu und trieb sein Ross an, ließ mich mit meinen Gedanken zurück.
Es war noch eine Tagesreise zum alten Gut Waldeck, währenddessen die Kutscher weder Rösser noch Reisende schonten. Dichte frostige Äste wichen langsam filigraneren Zweiglein; ebenso schön und scharfkantig wie die Wimpern der Schneekönigin, über die ich einst ein Büchlein las, geschrieben von dem überaus talentierten Sohn eines verarmten dänischen Schuhmachers.
Der Wald lichtete sich endlich und in einiger Entfernung konnten wir natürliches Tageslicht erspähen. Wenig später preschten wir auf ein weites, gefrorenes Feld zu. Vereinzelte deutsche Bauern mit Wanderstöcken beobachteten uns skeptisch und blieben sogar in den Gräben stehen – sie waren wohl etwas erbost über unser stürmisches Auftauchen.
Wir polterten, gefolgt von dichtem Schneestaub, über die schmalen Pfade. Kieran gab seine Landkarte im Vorbeireiten an unseren Kutscher ab, um vorauszueilen und ein paar Zimmer im nächsten Gasthof zu reservieren, denn einen weiteren Tag sollte es wohl dennoch dauern, bis wir das Gut endlich erreichen konnten.
Im Gasthof ›Zum hinkenden Kobold‹ dann ließen wir uns ungeachtet der Monster in Kakerlakengestalt, die unter den Betten nach unseren Füßen griffen, in selbige fallen, und erwachten erst
Weitere Kostenlose Bücher