GLÄSERN (German Edition)
Näherkommen an, der uns hoffentlich ausnahmsweise zur Hilfe eilen sollte. Vorsichtig säuberte ich Kierans noch immer blutendes Gesicht von Schmutz und Haaren. Die Kleidung war beinahe gänzlich zerrissen; Haut und Stoff bedeckten kleine Blätter und Blüten aus dem Wald, die der Wind herantrug. Es sah beinahe schon wieder romantisch aus. Vor lauter Blut konnte ich nicht erkennen, wo sich die Wunden befanden und tupfte seine Haut überall mit dem Zipfel meiner leider etwas besseren Weste ab.
Eirwyn umklammerte plötzlich meine Hand so fest, dass es schmerzte. »Hast du gesehen, wie er gestürzt ist? War das wirklich Jezabel? Sie hat ihn angegriffen! Wie kommt das Vieh meiner Mutter hierher?« Ihre Augen wirkten riesig vor Angst.
»Ja«, ich zögerte. »Oder vielmehr wurde er gestoßen. Von …«
Ich konnte nicht mit Sicherheit sagen, dass es Sandy gewesen war. Ich hasste mich wirklich für meine unkontrollierte Alkoholeskapade. Ihre hellen Augen flehten mich an, alles zu erzählen, was ich auch nur glaubte, gesehen zu haben. Ich tat es und sie schüttelte den Kopf. »Das ergibt doch keinen Sinn. Oder?«
»Nun, ehrlich gesagt, ergibt das sehr wohl einen Sinn«, druckste ich und erzählte ihr auch von dem Duell, das beinahe in ihrem Garten stattgefunden hätte.
Ermattet und verzweifelt vergrub sie das Gesicht in den Händen. Ich tat mein Bestes, ihr verfilztes Haar etwas zu ordnen, das noch immer etwas nass war vom Bad in der Quelle. Kierans Brust entrang sich ein trockenes Rasseln, sie hob und senkte sich noch einmal und blieb dann still. Augenblicklich stürzte Panik über Eirwyn herein. Auch über mich, doch als einziger funktionierender Mann, musste ich die Fassung wahren, so gut es ging. Noch nie hatte ich sie so verzweifelt gesehen und es schreckte mich auch ein wenig ab. Dennoch strich ich ihr den Träger ihres Kleides, der glücklicherweise unbeschadet geblieben war, zurecht. Ihr Gesicht zerfloss beinahe, Tränen traten in Sturzbächen unter den Lidern hervor und sie stieß meine Hand fort. Ihr ganzer Körper bebte. Eine Weile weinte sie laut und ich ließ sie in Ruhe mit ihrem Schmerz, obwohl es mir in den Fingern juckte, ihr das Haar zu richten. In der Hoffnung ihn aufzuwecken, schubste sie ihn, stieß ihn in die Seite, rüttelte an seiner Schulter. Doch er blieb reglos, stumm und wurde schnell eiskalt. Endlich ließ sie es zu, dass ich sie in die Arme nahm.
Sehr langsam beruhigte sie sich, ihre Schultern hörten auf, unkontrolliert zu zucken. Plötzlich gefasst, löste sie sich von mir, als wäre sie soeben erwacht. Ich sah beinahe einen Anflug von Wahnsinn, als sie mir hastig zuwisperte: »Frederick, ich tue nun etwas, das du vielleicht nicht verstehst. Aber vertraue mir, es wird wieder gut. Alles wird gut …«
Sie setzte sich mit aufgerissenen Augen vor den toten Körper, legte einen weißen Arm auf sein Gesicht und einen auf seine Brust. Mit rauer Stimme begann sie, etwas in der alten Sprache zu beschwören. Lange tat sich nichts, ich hörte Sarastros Bellen und einen Ruf und wartete. Dann, bis heute bin ich sicher, es führte auf meine schlaflose Nacht und den Alkohol zurück, tauchte ein hellblaues Licht auf, beinahe wie ein Glühwürmchen – nur eben blau. Es schwebte wie eine Luftblase über dem blutigen Fleisch des Jägers. Ich kroch ungläubig näher. Eirwyns verschmutzte Finger zitterten.
»Du hast es versprochen … Du hast versprochen, unser Leben zu schützen … Ich verlange keine Erklärung. Aber ich gebe dir für sein Leben, was immer du verlangst.«
Einst hatte ich im Pub von einer Alten gehört, dass die alten Göttinnen und Götter nie etwas ohne ein Opfer gaben. Außer den morgendlichen Geräuschen des erwachenden Waldes schien die Grafentochter etwas, nur für sie Hörbares, wahrzunehmen, denn sie blickte plötzlich überrascht auf. Unruhig stellte ich fest, dass sie zuerst erschrak und dann kurz zögerte. Schließlich willigte sie mit hängendem Kopf ein. »Wie du es wünscht«, sagte sie und wieder liefen Tränen über ihre blassen Wangen.
Das kleine wabernde Licht senkte sich sofort über Kierans Brust und verglühte auf seiner Haut, wie das letzte sterbende Fünkchen eines Kaminfeuers. Zuerst tat sich nichts, dann langsam, hob sich seine Brust, senkte sich wieder, und er atmete schwer, als brauche er all seine Kraft dazu. Aber er atmete. Eirwyn legte die Hände um Kierans Gesicht und küsste ihn zärtlich, wobei sich ihre Tränen mit seinem Blut vermischten. Ich saß
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