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GLÄSERN (German Edition)

GLÄSERN (German Edition)

Titel: GLÄSERN (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rona Walter
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möglich ist«, sagte sie mit gehetztem Lächeln und ich willigte ein.
    Schnell gab ich Duncan noch letzte Anweisungen, die er sichtlich mürrisch abnickte. Die Grafentochter zerrte mich sogleich am Ärmel hinauf in die obersten Räume. Mit Mühe dirigierte ich sie dort in Richtung des Krankenzimmers, während sie unentwegt vor sich hin schimpfte. Solch ein Ausbruch war mir fremd an ihr und ich war einmal mehr absolut mit ihren neuen Launen überfordert.
    »Ich hasse sie! Ich hasse ihre verfluchte Überheblichkeit! Sie soll verschwinden, sie soll endlich verschwinden!«, schrie sie und schlug meinen angebotenen Arm weg, als ich ihr die Tür aufhielt, entschuldigte sich jedoch sogleich bei mir. Hektisch fuhr sie sich mit den Händen durch das offene Haar, als wir mit langen Schritten durch die Gänge liefen. Plötzlich blieb sie abrupt stehen und fasste mich an den Schultern. Sie schüttelte mich leicht, während sie sagte: »Nicht ein Wort des Willkommens! Nicht einmal aufgestanden ist sie von ihrem Puppenhocker! Wie immer hat sie mich behandelt, als wäre ich ein unzurechnungsfähiges, wildes Kind! Stattdessen jammert sie mir vor, wie unzuverlässig doch die neuen Bediensteten sind! Es gibt ja wohl nichts, was mich weniger interessieren könnte!«
    Ich fühlte, wie sich meine Schultern erleichtert entspannten. So waren sie also doch nicht den Wünschen meiner Lady angemessen, die neuen Servants. Wie nett. Ich würde mich ins Zeug legen für sie und das untaugliche Personal bei nächster Gelegenheit mit Sack und Pack vor die Tür setzen. Ich reckte stolz den Hals und grinste.
    »… verwöhnte dumme Kuh!«, schimpfte sie gerade und mein Gesicht verlor den letzten Rest an Farbe, als ich ihre Worte hörte. Ich musste den Blick vor Scham senken, blickte mich hektisch um, dass auch kein Spion sich irgendwo verkrochen hatte und Eirwyns Beschimpfungen doch noch gehört wurden. Ohne mit den Beleidigungen aufzuhören – die ich hier nicht nennen möchte, um kein noch schlechteres Licht auf Eirwyn fallen zu lassen – ging sie leicht in die Knie, um mir von unten ins Gesicht zu sehen.
    »Ja, Frederick. So ist sie nun einmal. Eine dekadente, oberflächliche und peinliche alternde Frau, die sich hinter ihren feigen Intrigen versteckt. Niemand ist gut genug für Madame. Niemand. Nicht einmal die, die sich selbst aufgeben für sie oder die ihr zuliebe hinnehmen, dass sie verlieren, was ihnen so wertvoll war.«
    Nun rollten die Tränen doch über meine Wange und hinterließen schmerzhafte, salzige Spuren in meiner von der Reise rauen Haut.
    Eirwyn richtete sich auf und blickte mich triumphierend an. »Also habe ich Recht. Ich weiß das, Frederick. Du musstest meiner Mutter immer wieder beweisen, dass du ihrer würdig bist. Jedoch wirst du weder die Zuneigung von ihr bekommen, die du dir wünschst, noch Mitleid für Ginivers Tod. Sie wird nie zufrieden sein, bis du dich ihr nicht selbst geopfert hast. Und das will ich nicht zulassen. Nicht dich.«
    Ich wischte mein Gesicht sauber und fasste Eirwyn sacht am Ellbogen. Ich hatte beschlossen, mich nicht von meiner Herrin abzuwenden, komme was wolle. Ich liebte sie mehr als alles andere, mehr als meine Giniver. Und als ob sie meine Gedanken erraten hätte, sagte Eirwyn leise: »Ist es noch Ergebenheit, Frederick? Oder Furcht.« Sie sah mich aus schrägen Augen an. »Ich hoffe doch sehr, es ist keine Liebe.«
    »Bitte, komm jetzt«, war alles, was ich herausbrachte, als ich sie durch die Tür führte. Sie sah mich verdutzt an, ließ sich aber von mir in den Vorraum geleiten. Vor der kleinen Tür zum Krankenzimmer bat sie mich, sie zu begleiten. Ich sah keinen Grund, es ihr zu abzuschlagen.
    Der kleine Raum lag im Halbschatten. Jemand hatte die Fenster mit langen Schals verhangen, sodass nur mehr durch den fadenscheinigen Stoff karges Licht drang. Es roch nach Krankheit und etwas Modrigem. Ich hoffte nicht, dass es sich um den Grafen selbst handelte. Leise schloss ich die Tür hinter uns und wir stolperten blinzelnd auf das große Bett zu, in das man Graf Hektor gelegt hatte. Unzählige Kissen lagen auf dem Boden verstreut davor. Jenes, auf welchem er lag, sah rau und fleckig aus, und eine Decke hüllte den inzwischen schrecklich hageren Körper ein, wie einen Kokon. Der Graf lag offensichtlich trotz der Kräuterkuren noch immer im Siechtum, die Augen halb geschlossen, der Mund ein kaum auszumachender bleicher Strich. Eirwyn ließ sich vorsichtig auf dem Rand des Bettes nieder und

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