GLÄSERN (German Edition)
Zerbrechen meiner Seele. Jedoch, geschmeidig erhob sie sich und trat dicht vor mich hin. Mit zwei Fingern hob sie mein Kinn an, sodass ich sie direkt anblicken musste; direkt in ihr kaltes Gesicht, so schön wie der Wintermorgen.
»Gräme dich nicht wegen Giniver.«
Beim Klang dieses Namens zog sich mein Herz fest zusammen.
Sie ließ mein Kinn los. »Ihre intriganten Spielchen legten ihre Position doch offensichtlich dar. Du hast keinen schweren Verlust erlitten.«
Erschrocken riss ich die Augen auf. »Aber wie …?«
Sogleich besann ich mich des Gespräches zwischen Kieran und Eirwyn, und welche Entscheidung Giniver für sich getroffen hatte bezüglich des Briefes, und schwieg. Sie legte einen ihrer schmalen Schleier über ihre Augen und ich steckte ihn mit sicheren Fingern in ihrem Haar fest. Sie sah mich durch den Schleier beinahe gütig an. »Ich habe dir genug Zeichen gesendet, Frederick«, seufzte sie. »Zweifle nicht an dir selbst. Die Menschen sind so leichtsinnig. Und noch leichter ist es, sie Dinge glauben zu lassen.« Sie lachte leise.
Skeptisch dachte ich an den Spiegel in der Baumkrone und fragte mich selbst, was ich wohl in ihm gesehen hätte, hätte ich bereits auf der Reise zum Gut hineingeblickt. Vielleicht hätte er mir einen Blick in die Zukunft gewährt, eine Entscheidung abgenommen oder mir gezeigt, wie ich meine Freundin hätte vor dem Tod beschützen können. Zweifellos würde dies jedoch nun immer ein Geheimnis bleiben. Die Lady wandte sich von mir ab und ihrer überquellenden Schmuckschatulle zu. Ein leises Klimpern schwebte durch den Raum, als sich der Deckel wie von selbst hob.
»Wir sprechen später weiter. Bitte schicke jetzt meine Tochter herein. Und es soll Essen vorbereitet werden. Du wirst Duncan wohl dabei helfen müssen.«
Wer auch immer Duncan war – ich nickte knapp und beeilte mich, mit gesenktem Kopf und aufgewühlten Gefühlen den Raum zu verlassen. Ich schickte Eirwyn mit einem Nicken hinein und wollte gerade in die Küche eilen, als mich Kieran hart am Ärmel packte.
»Und wo willst du hin!«, zischte er.
Ich riss mich los. »Lass mich. Lady Amaranth möchte später mit uns speisen und ich muss die Vorbereitung überwachen. Ich bin der Valet hier in diesem Haus. Wenn du mich also entschuldigen würdest.«
Er versperrte den Treppenabsatz und blickte mich kopfschüttelnd an. »Ich wusste nicht, dass du so wenig Rückgrat hast, mein Freund.«
»Ach nein? So ist es eben. Und was sollte ich deiner Meinung nach tun? Meine Herrin wünscht zu speisen. Also bekommt sie auch, was sie will. So läuft das hier eben.«
Kieran lachte auf. »Du selbst hast mich doch noch daran erinnert, was ich bin«, murmelte ich, und begann die Treppe hinabzusteigen. »Und wie steht es mit Freundschaften?«, rief er mir hinterher.
Ich stutzte.
»Du lässt also meine zukünftige Frau allein mit ihrer Gift mischenden Mutter? Du hast dir tatsächlich einmal zu oft den Kopf an Sandfords Faust gestoßen!«
Seine Stimme hallte von den Wänden wider und ich sah mich hastig um, ob nicht einer dieser Neulinge irgendwo herumschlich und den Spitzel spielte.
Vielleicht hatte er Recht. Nach all den Verlusten und nach all dem, was geschehen war, war meine Wahrnehmung zwar mehr als zweifelhaft, allerdings traute ich auch Eirwyn seit ihrem Lichterzauber im Wald weit weniger über den Weg. Ich setzte meinen Weg nach unten fort. Wütend stapfte ich die Stufen hinab.
»Du weißt nicht, wie es ist, sich mit leerem Magen durch die Gosse schlagen zu müssen! Ich verehre die Lady! Und ich liebe Eirwyn wie eine Schwester. Aber sie ist nun einmal nicht meine Brotherrin!«, schrie ich in das Foyer hinunter.
Damit verschwand ich zusammen mit einem Servant, der, wie vermutet, aus dem Nichts aufgetaucht war, erwartungsvoll zu mir hinauf sah und bei dem es sich wohl um Duncan handeln musste. Wir planten Spanferkel mit Honig-Senfkruste und allerlei unverschämten Beilagen als Hauptgang, sowie eine Kräutersuppe und Distelsalat mit geröstetem Schinken ein. Ich wusch gerade die letzten Reste des frischen Schweineblutes von meinen Armen, als Eirwyn in die Küche stürmte. Sie kam schlitternd zum Stehen und strich sich bemüht beherrscht ihr Kleid glatt. Duncan glotzte sie verdutzt an und sie nickte ihm knapp zu.
»Frederick, ich möchte meinen Vater besuchen. Bitte bring mich zu ihm.« Sie warf einen kurzen Blick auf Duncan, der sie keines Blickes mehr würdigte und eifrig die Disteln säuberte. »Sofort, wenn es
Weitere Kostenlose Bücher