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GLÄSERN (German Edition)

GLÄSERN (German Edition)

Titel: GLÄSERN (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rona Walter
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transparenten Blätter wie nasse Taschentücher an den Ästen und glichen im leichten Nebel Geisterstoffen aus schlechten Büchern, nur ohne die schwarzen runden Kohleaugen, als mein Heimatort endlich in der Ferne zu sehen war. Mir erschien er jedoch seltsam kalt und beinahe schon abweisend. Als wir uns durch das Zwielicht dem Manor näherten, wurde es zunehmend ungemütlicher in der Kutsche. Meine Begleitung verkniff sich nahezu jede Unterhaltung und Kieran hielt Eirwyns Hände locker in den seinen, anstatt sie zu umarmen.
    Wir stoppten so rapide, dass ich mich am Sitz festklammern musste, um nicht nach vorne zu fallen. Eilig verließ ich als Erster die Kutsche, ohne auf die übliche Etikette zu achten. Der Jäger und Eirwyn folgten mir mit finsterer Miene.
    Bereits am Portal empfing uns eine kleine Schar neuer Bediensteter in nachtschwarzer Kleidung. Auch fehlte die alte Köchin, deren Namen zu nennen mir gerade unmöglich erschien, und ich machte mir in diesem Moment auch nicht die Mühe, mich daran zu erinnern. Alles wirkte so kühl und fremd, dass ich beinahe das kleine Silbertableau meiner Herrin erwartete, mit der stummen Verpflichtung, eine Karte vorlegen zu müssen. Wir nickten uns lediglich kurz zu und ich trat mit unwohlem Gefühl in der Magengrube ein. Weder verspürte ich eine gewisse Erleichterung noch ein wohliges Aufgehobensein, wie ich es eigentlich erwartet hatte. Niemand hatte sich die Mühe gemacht, nach Giniver zu fragen und ich nahm mit einigem Widerwillen wahr, wie ersetzbar wir in dieser Welt doch alle sind. Unbehagen und eine Spur von Eifersucht, dass man unsere Stellen kurzfristig mit anderen, natürlich weit weniger kompetenten Servants besetzt hatte, machte mein Herz klamm. Ich fühlte mich wie ein Geist meiner selbst.
    Die Grafentochter schritt an der Seite des Jägers mit kühler Zurückhaltung ins Foyer. Sie hielt ihre Finger in den roten Handschuhen fest ineinander verhakt. Ich sah, dass sie Angst hatte. Einer der neuen Servants der Lady gebot uns mit einer vagen Geste, nach oben zu gehen. Ich ging voran, nicht ohne ihn eingehend und kritisch begutachtet zu haben, und zog meine Freunde wie einen Rattenschwanz hinter mir her die Treppe hinauf. Auf der letzten Stufe angelangt, erklang die Stimme meiner Herrin durch die offene Tür ihres Kräuterraumes – tief und mit der vertrauten Härte – die mich zu sich zitierte. Ich nickte Eirwyn aufmunternd zu. Ehe ich die Tür hinter mir schloss, sah ich noch, wie sie auf einem der kleinen Bänkchen im Flur Platz nahm und mit leerem Blick und gerunzelter Stirn die Porträts an den Wänden fixierte, als sähe sie in einen tiefen Brunnen, dessen Grund unergründlich im Dunkel lag.

    Lady Amaranth empfing mich vor ihrem Spiegeltischchen sitzend, das mit den unterschiedlichsten Tinkturen in subtilen Flakons bestückt war. Die Dame hatte sich auf einem gepolsterten Sitz inmitten des üppigen schwarzen Tülls ihres Kleides niedergelassen und betupfte ihr Gesicht vorsichtig mit einem duftenden Tuch. Dezenter Liliengeruch kroch mir durch das Halbdunkel entgegen. Unsere Blicke trafen sich kurz im Spiegel. Das Lächeln, mit dem sie mich bedachte, gelangte wie stets nicht bis zu ihren Augen. Mein Magen krampfte sich zusammen. Dennoch war ich irgendwie … nun, ich würde sagen … glücklich, wieder bei ihr zu sein.
    »Ich sehe, dass du erfolgreich warst, Frederick. Jedoch habe ich seit eurer Abreise aus diesem widerlichen kleinen Gut keine Nachrichten mehr erhalten. Wie – kannst du mir sicherlich erklären – kam das wohl zustande.« Sie hob die Brauen, tupfte sich weiterhin das Gesicht sorgfältig ab.
    Ich räusperte mich verlegen. »Meine Lady … die Botin ist sozusagen … nun … Rohkost.«
    Ohne innezuhalten, legte sie das Tuch sorgfältig in eine porzellanene Schale und faltete die Hände im Schoß. »Man berichtete mir, du wärest der Einzige, der in der Lage war, zu mir zurückzukehren.« Ich neigte verwirrt den Kopf, damit sie nicht sah, wie sehr ich mit den Tränen kämpfte. Trauer und Abscheu umspülten mich zugleich, denn die unschuldige Giniver und Lord Sandford, mit seinem blutigem Grinsen, wollten nicht aufhören, in meinem Kopf herumzuspuken. »Ich wusste, wenn alle anderen versagen, wirst du es nicht. Mein treuer, treuer Frederick. Auf dich kann ich mich wie immer verlassen.«
    Es brannte mir auf der Zunge, ihr von unseren Verlusten zu erzählen. Von der Angst und der Trauer. Von meinem Todeskampf im walisischen Anwesen. Und vom

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