Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)
dreifache Verschluß der Fenster wurde von den Falten der prachtvollen chinesischen Vorhänge verkleidet. Das Souper sollte um ein Uhr serviert werden, die Kerzen brannten, der kleine Salon und der Speisesaal entfalteten ihren Luxus. Man machte sich auf eine jener Nächte der Ausschweifung gefaßt, denen einzig diese drei Frauen und diese Männer gewachsen waren. Man spielte zunächst, denn man hatte zwei Stunden zu warten.
»Spielen Sie, Mylord?« fragte du Tillet Peyrade. »Ich haben gespielt mit O'Connell, Pitt, Fox, Canning, Lord Brougham, Lord ...« »Sagen Sie ganz einfach, mit unendlich vielen Lords,« sagte Bixiou. »Lord Fitz-William, Lord Ellenborough, Lord Hertford, Lord ...« Bixiou sah Peyrade auf die Schuhe und bückte sich. »Was suchst du?« fragte Blondet. »Bei Gott, die Feder, auf die man drücken muß, um die Maschine zum Stillstand zu bringen,« sagte Florine. »Spielen Sie um zwanzig Franken den Point?« fragte Lucien. »Ich spielen um genau ssoviel, wie Sie wwollen verlierren ...« »Der versteht es,« sagte Esther zu Lucien. »Sie halten ihn alle für einen Engländer!«
Du Tillet, Nucingen, Peyrade und Rastignac setzten sich um einen Whisttisch. Florine, Frau du Val-Noble, Esther, Blondet und Bixiou blieben beim Kamin, um zu plaudern. Lucien vertrieb sich die Zeit, indem er ein Prachtwerk mit Stichen durchblätterte.
»Gnädige Frau, es ist aufgetragen,« sagte Paccard in großartiger Livree.
Peyrade erhielt den Platz links von Florine und rechts von Bixiou, dem Esther empfohlen hatte, den Nabob durch Herausforderungen zu maßlosem Trinken zu reizen. Bixiou besaß die Fähigkeit, unbegrenzt weitertrinken zu können. In seinem ganzen Leben hatte Peyrade solchen Glanz noch nicht gesehen, solche Küche noch nicht gekostet und so hübsche Frauen noch nicht erblickt.
›Heute abend machen sich die tausend Taler bezahlt, die die Val-Noble mich schon gekostet hat‹, dachte er; ›übrigens habe ich ihnen eben tausend Franken abgewonnen.‹ »Das ist ein Beispiel, dem man folgen muß,« rief Frau du Val-Noble ihm zu; sie saß neben Lucien und zeigte ihm mit einer Handbewegung den Prunk des Saales. Esther hatte Lucien neben sich gesetzt, und unter dem Tisch hielt er ihren Fuß zwischen den seinen. »Hören Sie?« sagte die Val-Noble, indem sie Peyrade, der den Blinden spielte, ansah, »so müßten Sie mir ein Haus einrichten! Wenn man mit Millionen aus Indien kommt und mit einem Nucingen Geschäfte machen will, stellt man sich mit ihm auf gleichen Fuß.« »Ich bin of Temperence Society ...«
»Dann werden Sie hübsch trinken!« sagte Bixiou, »denn Indien ist heiß, lieber Onkel!« Bixiou spielte während des Soupers den Scherz, daß er Peyrade wie einen seiner Onkel behandelte, der aus Indien zurückgekommen wäre.
»Frau ti Fal-Nople hat mir kesagt, Sie hätten Apsichten? ...« fragte Nucingen, indem er Peyrade prüfend ansah.
»Das wollte ich hören,« sagte du Tillet zu Rastignac, »jetzt radebrechen die beiden zusammen.« »Sie werden sehen, schließlich verständigen sie sich,« sagte Bixiou, der erriet, was du Tillet zu Rastignac gesagt hatte.
»Sir Baronet, ich haben mirr ausgedacht eine kleine Spekuleschun, oh, sährr beqwem ... sährr, sährr eintrräglich und Nutzen brringend...« »Sie sollen sehen,« sagte Blondet zu du Tillet, »er wird nicht eine Minute reden, so taucht auch schon das Parlament und die englische Regierung auf.« »Es ssein in Tscheina ... mit Opium ...« »Ja, ich waiß,« sagte Nucingen alsbald wie der Mann, der seinen Handelsglobus kennt; »aber die englische Rekierung hat kemacht aine Aktion, um sich China ßu öffnen fier Obium, und wirde uns nicht erlaupen ...« »Mit der Regierung ist Nucingen ihm zuvorgekommen,« sagte du Tillet zu Blondet.
»Ah, Sie haben mit Opium gehandelt?« rief Frau du Val-Noble; »jetzt verstehe ich, weshalb Sie so einschläfernd wirken; es ist Ihnen etwas davon im Herzen geblieben ...« »Sehen Sie!« rief der Baron dem angeblichen Opiumhändler zu, indem er auf Frau du Val-Noble zeigte, »es keht Ihnen wie mir: Millionären kelingt es nie, sich die Liebe der Frauen ßu erferben.« »Ich sein geworrden geliebt sährr und oft, Mylady,« sagte Peyrade. »Immer wegen der Mäßigkeit,« sagte Bixiou, der Peyrade eben seine dritte Flasche Bordeauxwein eingetrichtert hatte und gerade eine Flasche Portwein anbrach. »Oh!« rief Peyrade, »es ist Portuwein aus Ingländ.«
Blondet, du Tillet und Bixiou tauschten ein Lächeln aus.
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