Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)
Zimmer der Untersuchungsrichter auf die Rue de la Barillerie.
Wenn nun im Hof der Conciergerie eine Salatkutsche sich nach links wendet, so bringt sie Untersuchungsgefangene in die Souricière; wendet sie sich nach rechts, so liefert sie Angeklagte in die Conciergerie ein. Nach dieser Seite hin also wurde der Wagen gelenkt, in dem Jakob Collin sich befand, denn man sollte ihn am Portal abliefern. Nichts ist grauenhafter. Verbrecher wie Besucher sehen zwei schmiedeeiserne Gitter, die durch einen Zwischenraum von etwa sechs Fuß voneinander getrennt sind und die sich stets nur nacheinander öffnen; dort wird auf alles so peinlich geachtet, daß selbst die Leute, denen eine Besuchserlaubnis erteilt worden ist, erst diesen Raum zwischen den Gittern durchschreiten müssen, ehe sich der Schlüssel im Schloß umdreht. Selbst die Untersuchungsrichter, ja die Staatsanwälte kommen nicht hinein, ohne sich legitimiert zu haben. Und da spreche man noch von der Möglichkeit eines Verkehrs oder eines Ausbruchs! ... Der Direktor der Conciergerie wird ein Lächeln auf den Lippen tragen, vor dem der verwegenste Romandichter in seinen Unternehmungen wider die Wahrscheinlichkeit den Zweifel fallen läßt. Man kennt in den Annalen der Conciergerie nur den Ausbruch La Valettes; aber die Gewißheit allerhöchster Nachsicht, die heute erwiesen ist, hat, wenn nicht die Aufopferung der Gattin, doch die Gefahr eines Mißerfolgs vermindert. Wer an Ort und Stelle über das Wesen der Hindernisse urteilt, wird, und sei er ein noch so großer Freund des Wunderbaren, anerkennen, daß diese Hindernisse zu allen Zeiten unüberwindlich waren, wie sie es noch heute sind. Keine Worte können die Gewalt der Mauern und Gewölbe malen, man muß sie sehen. Obgleich das Master des Hofes schon niedriger liegt als das des Kais, so muß man doch, wenn man das Portal passiert, noch mehrere Stufen hinabsteigen, um in einen ungeheuren gewölbten Saal zu gelangen, dessen gewaltige Mauern mit prachtvollen Säulen geschmückt und von der Tour de Montgomery, die heute einen Teil der Wohnung des Direktors der Conciergerie ausmacht, und der Tour d'Argent flankiert sind, die heute den Wächtern, Pförtnern oder Schließern, wie man sie nun nennen will, als Schlafgebäude dient. Die Zahl jener Angestellten ist nicht so hoch, wie man sich wohl denkt, es sind ihrer zwanzig; ihr Schlafraum und ihr Bettzeug unterscheidet sich nicht von dem der ›Pistole‹. [Fußnote: Separatzimmer für solche Gefangene, die das Recht eigener Verpflegung haben.] Dieser Name kommt ohne Zweifel daher, daß die Gefangenen ehemals für diese Unterkunft wöchentlich eine Pistole zahlten; die Nacktheit der Räume erinnert an die kahlen Mansarden, wie alle großen Leute ohne Vermögen sie in Paris zunächst bewohnen. Links von diesem ungeheuren Eingangssaal liegt die Kanzlei der Conciergerie, eine Art Bureau, das durch Glasscheiben abgetrennt ist; dort sitzen der Direktor und sein Kanzlist, dort befinden sich die Aufnahmeregister. Da wird der Untersuchungsgefangene oder der Angeklagte eingetragen, beschrieben und durchsucht; da wird die Frage der Unterbringung entschieden, deren Lösung vom Geldbeutel des Gastes abhängt. Gegenüber vom Portal dieses Saales sieht man eine Glastür; sie führt in einen Sprechraum, in dem Verwandte und Advokaten durch ein Fenster mit doppeltem Holzgitter mit den Angeklagten sprechen können. Dieses Sprechzimmer erhält sein Licht von dem Gefängnishof her, dem inneren Spaziergang, auf dem die Angeklagten zu bestimmten Stunden Luft schöpfen und sich Bewegung machen.
Der große Saal, der durch das zweifelhafte Licht dieser beiden Türen erhellt wird, denn das einzige Fenster, das auf den Anfahrtshof führt, wird vollständig von der Kanzlei in Anspruch genommen, die es umrahmt, zeigt den Blicken eine Beleuchtung und eine Atmosphäre, die vollkommen mit den von der Einbildungskraft vorgefaßten Bildern im Einklang steht. Das Ganze wirkt um so erschreckender, als man parallel mit den Türmen, der Tour d'Argent und der Tour de Montgomery, jene geheimnisvollen, gewölbten, furchtbaren, lichtlosen Krypten erkennt, die das Sprechzimmer umgeben und zu den Kerkern der Königin, der Frau Elisabeth [Fußnote: Schwester Ludwigs XVI.] und den sogenannten Geheimzellen führen. Dieses Labyrinth von Quadern ist, nachdem es die Feste des Königreichs gesehen hat, zum Kellergeschoß des Gerichtspalastes geworden. Von 1825 bis 1832 nahm man in diesem ungeheuren Saal zwischen einem
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