Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)
Desrues wie Castaing. Das Zimmer Fouquier-Tinvilles war wie das Zimmer des heutigen Staatsanwalts so gelegen, daß der öffentliche Ankläger die Leute, die das Revolutionsgericht verurteilt hatte, auf ihren Karren vorbeiziehen sehen konnte. Dieser Mensch, der zum Schwert geworden war, konnte so einen letzten Blick auf seine Opfer werfen.
Seit 1825 hat unter dem Ministerium des Herrn von Peyronnet im Palast ein großer Wandel stattgefunden. Das alte Portal der Conciergerie, hinter dem die Zeremonien der Aufnahme und der letzten Toilette vor sich gingen, wurde geschlossen und dorthin verlegt, wo es sich heute befindet: zwischen den Uhrturm und die Tour de Montgomery, auf einen inneren Hof, den eine Arkade markiert. Links befindet sich die Souricière, rechts das Portal. Die Salatkutschen fahren in diesen ziemlich unregelmäßigen Hof hinein; sie können sich dort aufhalten, können wenden und sich im Fall einer Meuterei dort versammeln, geschützt gegen jeden Anschlag durch das starke Gitter des Arkadentores; ehemals hatten sie nicht die mindeste Möglichkeit, sich in dem engen Raum, der die große Außentreppe vom rechten Flügel des Palastes trennt, zu bewegen. Heute nimmt die Conciergerie, die kaum für die Angeklagten ausreicht – man müßte dort für dreihundert Menschen, Männer und Frauen, Platz haben –, nur noch bei seltenen Gelegenheiten Untersuchungsgefangene oder Strafgefangene auf; eine solche Ausnahme führte Jakob Collin und Lucien dorthin. Ausnahmsweise dulden die Behörden dort Schuldige aus der höchsten Gesellschaft, die schon genügend durch einen Spruch des Geschworenengerichts entehrt sind und über alle Grenzen hinaus bestraft wären, wenn sie ihre Strafe zu Melun oder zu Poissy abzubüßen hätten. Ouvrard zog den Aufenthalt in der Conciergerie dem in Sainte-Pélagie vor. Gegenwärtig verbüßen der Notar Lehon und der Fürst von Bergues ihre Gefangenschaft dort, und zwar vermöge einer willkürlichen, aber sehr menschlichen Nachsicht.
Im allgemeinen werden die Untersuchungsgefangenen, sei es, wenn sie, nach dem Fachausdruck, zur Untersuchung gehen, sei es, wenn sie vor dem Zuchtpolizeigericht erscheinen sollen, von den Salatkutschen direkt in die Souricière eingeliefert. Die Souricière, die dem Portal gegenüber liegt, setzte sich aus einer gewissen Menge von Zellen zusammen, die in die Küchen des heiligen Ludwig eingebaut sind; dort warten die Gefangenen, die man aus ihren Gefängnissen geholt hat, auf die Stunde, in der das Gericht zusammentritt oder in der ihr Untersuchungsrichter eintrifft. Die Souricière wird im Norden vom Kai begrenzt, im Osten vom Wachtgebäude der Munizipalgarde, im Westen vom Hof der Conciergerie und im Süden von einem ungeheuren gewölbten Saal – sicherlich dem ehemaligen Festsaal –, der noch keine Bestimmung hat. Oberhalb der Souricière erstreckt sich ein inneres Wachtlokal, das durch ein Fenster den Blick über den Hof der Conciergerie beherrscht; es ist das Lokal der Departementsgendarmerie, und die Treppe mündet dahinein. Wenn die Stunde der Aburteilung kommt, so rufen hier die Gerichtsdiener die Untersuchungsgefangenen auf; die Gendarmen steigen in gleicher Zahl mit den Untersuchungsgefangenen hinab, jeder Gendarm nimmt einen von ihnen unterm Arm; und so gepaart steigen sie die Treppe hinauf, durchschreiten das Wachtlokal und kommen durch lange Gänge in einen Raum neben dem Saal, in dem die berühmte sechste Kammer des Gerichts tagt, der die Rechtsprechung des Zuchtpolizeigerichts obliegt. Es ist der Weg, den auch die Angeklagten entlang gehen, wenn sie sich aus der Conciergerie zum Schwurgericht begeben oder aus ihm zurückkehren.
Im großen Vorsaal bemerkt man zwischen der Tür der ersten Kammer des erstinstanzlichen Gerichts und der Freitreppe, die zur sechsten führt, auf der Stelle, wenn man auch zum erstenmal hindurchgeht, einen türlosen Durchgang ohne jeden architektonischen Schmuck: ein wahrhaft unedles viereckiges Loch. Von da aus kommen die Richter und die Advokaten in jene Gänge, in das Wachtlokal und steigen dann in die Souricière und zum Portal der Conciergerie hinab. All die Zimmer der Untersuchungsrichter liegen in verschiedenen Stockwerken in diesem Teil des Palastes. Man erreicht ihn über scheußliche Treppen hinweg: ein Labyrinth, in dem sich alle, denen der Palast nicht bekannt ist, fast immer verirren. Die Fenster dieser Zimmer blicken zum Teil auf den Kai, zum Teil auf den Hof der Conciergerie. 1830 blickten auch einige
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