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Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)

Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)

Titel: Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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ähnlich. Nachdem sie das Gesicht der alten Händlerin wie eine Schauspielerin abgewaschen, Rot und Weiß aufgelegt hatte, hatte sie auch den Kopf noch in eine wundervolle blonde Perücke gesteckt. Gekleidet wie eine Dame des Faubourg Saint-Germain, die ihren verlorenen Hund sucht, so schien sie vierzig Jahre alt zu sein, denn sie verbarg ihr Gesicht unter einem wundervollen Schleier aus schwarzen Spitzen. Ein scharf geschnürtes Korsett stützte ihre Köchinnenfigur. Sie trug sehr gute Handschuhe und einen etwas starken Rückenwulst; und sie strömte den Geruch von Puder à la maréchale aus. Während sie mit einer Tasche spielte, die einen goldenen Bügel aufwies, teilte sie ihre Aufmerksamkeit zwischen den Mauern des Palastes, die sie offenbar zum erstenmal durchirrte, und der Leine eines hübschen ›Kingsdogs‹. Eine solche Witwe mußte den Scharen im schwarzen Amtskleid in der Vorhalle bald auffallen.
    Außer den unbeschäftigten Advokaten, die diesen Saal mit ihrem Amtskleid fegen und ihre großen Kollegen bei ihren Vornamen nennen – wie die großen Herren es unter sich tun –, um anzudeuten, daß sie zur Aristokratie des Standes gehören, sieht man oft geduldige junge Leute, die sich in den Dienst der Anwälte stellen und hier um einer Sache willen stehen und warten, die als letzte angesetzt worden ist, aber vielleicht schon früher verhandelt wird; wenn nämlich die Advokaten in den früher angesetzten Sachen auf sich warten lassen. Es würde ein merkwürdiges Bild ergeben, wenn man die Unterschiede zwischen den verschiedenen schwarzen Amtskleidern malen wollte, die, immer zu dritt, bisweilen zu viert, in diesem ungeheuren Saal spazieren gehen und durch ihre Unterhaltungen das ungeheure Summen hervorrufen, das beständig in diesem Saal hallt, der seinen Namen mit Recht führt, denn ihr Hin und Her nimmt die Advokaten ebensosehr in Anspruch wie ihre außerordentlich lebhafte Unterhaltung; aber es wird erst in der Studie Platz finden, die die Advokaten von Paris schildern soll. Asien hatte auf die Müßiggänger des Palastes gezählt; sie lachte sich wegen einiger Scherze, die sie horte, ins Fäustchen, und schließlich gelang es ihr, die Aufmerksamkeit Massols auf sich zu lenken, eines jungen pflichtgemäß anwesenden Anwalts, den die ›Gerichtszeitung‹ mehr in Anspruch nahm als seine Klienten und der einer so gut parfümierten und so reich gekleideten Frau mit lächelnder Bereitwilligkeit seine Dienste zur Verfügung stellte.
    Asien nahm eine Fistelstimme an, um diesem liebenswürdigen Herrn auseinanderzusetzen, daß sie der Vorladung eines Richters namens Camusot folgte. »Ah, in der Sache Rubempré.« Der Prozeß hatte schon seinen Namen. »Oh, es handelt sich nicht um mich – um meine Kammerfrau, ein Mädchen mit dem Beinamen Europa, das ich vierundzwanzig Stunden gehabt habe und das die Flucht ergriff, als sie sah, daß mir mein Pförtner dieses gestempelte Papier brachte.«
    Und wie alle alten Frauen, deren Leben mit Schwätzereien am Kamin verstreicht, machte sie, von Massol gedrängt, Parenthesen und berichtete, wie unglücklich sie mit ihrem ersten Gatten, einem der drei Direktoren der Assignatenkasse, gewesen sei. Sie konsultierte den jungen Advokaten darüber, ob sie mit ihrem Schwiegersohn, dem Grafen Groß-Narp, der ihre Tochter so unglücklich mache, einen Prozeß beginnen sollte, und ob das Gesetz ihn ermächtige, über ihr Vermögen zu verfügen. Massol konnte trotz seiner Bemühungen nicht herausbekommen, ob die Ladung der Herrin oder der Kammerfrau galt. Im ersten Augenblick hatte er sich damit begnügt, einen Blick auf dieses Aktenstück zu werfen, dessen Formular so wohlbekannt ist; denn um der Zeitersparnis willen ist es vorgedruckt, und die Kanzlisten der Untersuchungsrichter haben nur noch die Lücken auszufüllen, die für die Namen und die Wohnungen der Zeugen, für die Stunde der Ladung usw. ausgespart sind. Asien ließ sich den Palast erklären, den sie genauer kannte, als der Advokat selbst. Und schließlich fragte sie ihn, um welche Zeit dieser Herr Camusot käme.
    »Nun, im allgemeinen beginnen die Untersuchungsrichter ihre Verhöre gegen zehn Uhr.« »Es ist ein Viertel vor zehn,« sagte sie, indem sie auf eine hübsche kleine Uhr blickte, ein wahres Meisterwerk der Goldschmiedekunst, bei dessen Anblick Massol dachte: ›Wo Zum Teufel der Reichtum sich doch einnistet!‹
    In diesem Augenblick war Asien bis zu jenem dunkeln Saal gelangt, der auf den Hof der Conciergerie

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