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Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)

Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)

Titel: Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Kuh; er radebrechte in einer Weise, daß seine Antworten fast unverständlich wurden, und er ließ sich immer bitten, sie zu wiederholen. Die Germanismen des Herrn von Nucingen haben diesen Roman schon zu bunt durchwirkt, als daß wir noch weitere schwer lesbare Dialektzeilen hineinflechten könnten, die der Geschwindigkeit der Entwicklung schaden würden.
    »Sie haben Papiere, die die Eigenschaften belegen, von denen Sie reden?« fragte der Richter. »Ja, einen Paß und einen Brief Seiner Katholischen Majestät, der mir Vollmacht für meine Mission erteilt ... Schließlich können Sie auf der Stelle zwei Worte in die spanische Gesandtschaft schicken, die ich vor Ihren Augen schreiben werde, und man wird meine Auslieferung verlangen. Wenn Sie ferner noch weitere Beweise brauchen, so werde ich an Seine Eminenz den Großalmosenpfleger von Frankreich schreiben, und er würde alsbald seinen Privatsekretär hierher schicken.« »Geben Sie sich immer noch für einen Sterbenden aus?« fragte Camusot. »Wenn Sie die Leiden, über die Sie sich seit Ihrer Verhaftung beklagen, wirklich durchgemacht hätten, so sollten Sie tot sein,« fügte der Richter ironisch hinzu. »Sie machen dem Mut eines Unschuldigen und der Kraft seines Temperaments den Prozeß,« erwiderte der Gefangene sanft.
    »Coquart, schellen Sie! Lassen Sie den Arzt der Conciergerie mit einem Krankenwärter kommen ... Wir werden uns genötigt sehen, Ihnen den Rock auszuziehen und zur Feststellung der Male auf Ihrer Schulter zu schreiten,« fuhr Camusot fort. »Ich bin in Ihrer Hand.«
    Der Gefangene fragte, ob sein Richter die Güte haben wollte, ihm zu erklären, was für ein Mal das wäre und warum man es auf seiner Schulter suchte. Der Richter hatte diese Frage erwartet. »Sie stehen im Verdacht, Jakob Collin zu sein, ein entsprungener Sträfling, dessen Verwegenheit vor nichts zurückweicht, selbst nicht vor der Kirchenschändung! ...« sagte der Richter lebhaft, indem er mit seinem Blick in die Augen des Gefangenen hinuntertauchte.
    Jakob Collin erzitterte nicht, er errötete nicht; er blieb ruhig und zeigte eine naiv neugierige Miene, während er Camusot ansah. »Ich, mein Herr, ein Sträfling? ... Der Orden, dem ich angehöre, und Gott mögen Ihnen einen derartigen Fehlgriff verzeihen! Sagen Sie mir, was ich tun muß, um zu verhindern, daß Sie bei einer so schweren Beschimpfung des Völkerrechts, der Kirche und des Königs, meines Herrn, verharren.«
    Der Richter erklärte dem Gefangenen, ohne ihm eine Antwort zu geben, daß, wenn er das Brandmal erhalten habe, das die Gesetze damals für die zur Zwangsarbeit Verurteilten vorschrieben, die Buchstaben durch Schläge auf die Schulter alsbald wieder sichtbar zu machen seien. »Ach, Herr Richter,« sagte Jakob Collin, »es wäre ein rechtes Unglück, wenn meine Aufopferung für die Sache des Königs mir verhängnisvoll werden sollte.« »Erklären Sie sich,« sagte der Richter, »dazu sind Sie hier.« »Nun, Herr Richter, ich muß viele Narben auf dem Rücken haben, denn ich bin als Verräter des Landes, während ich meinem König treu war, von den Konstitutionellen füsiliert worden; und sie ließen mich für tot liegen.« »Sie sind füsiliert worden, und Sie leben! ...« sagte Camusot. »Ich stand in einem gewissen Einverständnis mit den Soldaten, denen fromme Leute Geld gegeben hatten; da haben sie mich in solcher Entfernung aufgestellt, daß ich nur noch matte Kugeln erhielt; die Soldaten haben auf den Rücken gezielt. Das ist eine Tatsache, die Seine Exzellenz der Gesandte Ihnen wird bezeugen können ...« ›Dieser Teufelsmensch hat auf alles eine Antwort! Um so besser übrigens!‹ dachte Camusot, der nur deshalb so streng schien, weil er der Gerichtsbarkeit und der Polizei genugtun wollte. »Wie kommt es, daß ein Mann Ihres Standes«, sagte er dann, indem er sich an den Sträfling wandte, »sich bei der Geliebten des Barons von Nuncingen befand; und bei was für einer Geliebten, einer ehemaligen Dirne!« »Der Grund, weshalb man mich im Hause einer Kurtisane fand, ist dieser,« erwiderte Jakob Collin; »aber ehe ich Ihnen sage, was mich dorthin führte, muß ich Sie darauf aufmerksam machen, daß ich in dem Augenblick, als ich die erste Stufe der Treppe betrat, von dem plötzlichen Anfall meiner Krankheit überfallen wurde; ich hatte also keine Zeit mehr, mit dem Mädchen zu sprechen. Ich hatte Kenntnis davon erhalten, daß Fräulein Esther mit der Absicht umging, in den Tod zu gehen; und da es

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