Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)
jagt mir einen Schüttelfrost über den Körper. Mein Liebling, vernichte dieses Bild, gib es niemandem ... es sei denn, daß dieses Geschenk Dir das Herz jener wandelnden und kleidertragenden Latte, jener Klotilde von Grandlieu, zurückerobert, die Dir Beulen stoßen wird des Nachts, so spitze Knochen hat sie... Ja, darein willige ich, da wäre ich Dir noch wie zu Lebzeiten zu etwas nütze. Ach, um Dir Vergnügen zu machen, oder wenn Du auch nur darüber gelacht hättest, wäre ich vor einem Kohlenbecken niedergekniet, einen Apfel im Munde, um ihn Dir zu rösten! Mein Tod wird Dir also noch nützlich sein... Ich hätte Dein Haus gestört... Oh, diese Klotilde! Ich verstehe sie nicht! Sie kann Deine Frau sein, Deinen Namen tragen, braucht Dich weder Tag noch Nacht zu verlassen, darf Dir gehören und macht Umstände! Dazu muß man aus dem Faubourg Saint-Germain sein! Und keine zehn Pfund Fleisch auf den Knochen haben...
Armer Lucien! Teurer gescheiterter Ehrgeiziger, ich denke an Deine Zukunft! Sieh, Du wirst mehr als einmal Deinen armen treuen Hund herbeisehnen, das gute Mädchen, das für Dich stahl, das sich hätte vors Schwurgericht schleppen lassen, um Dein Glück zu sichern; deren einzige Beschäftigung es war, an Deine Genüsse zu denken, Dir neue zu erfinden; der die Liebe zu Dir im Haar, in den Füßen, in den Ohren stak; kurz Deine ›ballerina‹ , deren sämtliche Blicke ebensoviel Segenssprüche waren; die sechs Jahre hindurch nur an Dich gedacht hat, die so sehr Dein Eigentum war, daß sie stets nur einen Ausfluß Deiner Seele bildete, wie das Licht ein Ausfluß der Sonne ist. Aber schließlich, da mir Geld und Ehre fehlen, so kann ich, ach, Deine Frau nicht werden... Immerhin habe ich für Deine Zukunft gesorgt, indem ich Dir alles gab, was ich besitze... Komm, sowie Du diesen Brief erhalten hast, und nimm, was unter meinem Kopfkissen liegt, denn ich mißtraue den Leuten im Hause...
Siehst Du, ich will schön sein als Tote, ich werde mich legen und auf dem Bett ausstrecken; ich werde posieren! Dann werde ich die Johannisbeere gegen den Gaumenbogen drücken, und so werde ich weder durch Krämpfe noch durch eine lächerliche Haltung entstellt werden.
Ich weiß, daß Frau von Sérizy sich um meinetwillen mit Dir überworfen hat; aber siehst Du, Maus, wenn sie erfährt, daß ich tot bin, so wird sie Dir vergeben, Du wirst ihr wieder den Hof machen, und sie wird Dich gut verheiraten, wenn die Grandlieus bei ihrer Weigerung bleiben.
Mein Liebling, ich will nicht, daß Du lange Klagen erhebst, wenn Du von meinem Tode erfährst. Zunächst muß ich Dir sagen, daß die elfte Stunde am Montag des 13. Mai nur der Abschluß einer langen Krankheit ist, die begann, als Ihr mich auf der Terrasse von Saint-Germain in meine alte Laufbahn zurückstießet... Man leidet seelisch, wie man körperlich leidet. Nur kann die Seele das Leiden nicht so dumm über sich ergehen lassen wie der Körper; der Körper stützt die Seele nicht, wie die Seele den Körper stützt, und die Seele hat die Möglichkeit, sich in der Gedankenreihe Heilung zu suchen, aus der heraus die Näherinnen ihre Zuflucht zum Kohlenbecken nehmen. Du hast mir vorgestern ein ganzes Leben gegeben, als Du sagtest, wenn Klotilde Dich nochmals zurückstieße, würdest Du mich heiraten. Das wäre für uns beide ein großes Unglück geworden, ich wäre sozusagen nur um so mehr tot; denn es gibt Tode, die mehr oder minder bitter sind. Nie hätte die Gesellschaft uns aufgenommen.
Jetzt denke ich schon seit zwei Monaten über sehr viele Dinge nach. Ein armes Mädchen steckt im Schmutz, wie ich es tat, ehe ich ins Kloster eintrat; die Männer finden sie schön; sie machen sie ihren Genüssen dienstbar, indem sie sich jeder Rücksicht entbinden; sie schicken sie zu Fuß davon, nachdem sie sie im Wagen geholt hatten; wenn sie ihr nicht ins Gesicht speien, so liegt das daran, daß ihre Schönheit sie vor dieser Beschimpfung schützt; aber moralisch tun sie Schlimmeres. Nun, dieses Mädchen erbe fünf bis sechs Millionen, so werden Prinzen sie aufsuchen, man wird sie achtungsvoll grüßen, wenn sie im Wagen vorüberfährt; sie wird unter den ältesten Wappenschildern Frankreichs und Navarras wählen können. Diese Gesellschaft, die auf uns schimpfen würde, wenn sie zwei schöne Wesen im Glück vereint sähe, hat Frau von Staël beständig gegrüßt, trotz aller laufenden Romane, weil sie zweihunderttausend Franken Rente hatte. Die Gesellschaft, die sich vor dem
Weitere Kostenlose Bücher