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Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)

Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)

Titel: Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Menschheit die Opposition. Sie stammen in jener Linie von Adam ab, in der der Teufel das Feuer, dessen erster Funke auf Eva gesprungen war, weiter angefacht hat. Unter den Dämonen dieses Geschlechts finden sich von Zeit zu Zeit furchtbare Wesen von ungeheurer Konstitution, die alle menschlichen Kräfte in sich zusammenfassen und jenen fieberischen Tieren der Wüste gleichen, deren Leben der unermeßlichen Räume bedarf, die sie dort finden. Solche Menschen sind in der Gesellschaft so gefährlich, wie es Löwen in der offenen Normandie wären: sie brauchen ihren Fraß; sie verschlingen gewöhnliche Menschen und fressen das Geld der Tröpfe auf; ihr Spiel ist so gefährlich, daß sie den demütigen Hund, den sie zu ihrem Gefährten, zu ihrem Idol machten, schließlich töten. Wenn Gott es will, so werden diese geheimnisvollen Wesen zu einem Moses, Attila, Karl dem Großen, Mohammed oder Napoleon; aber wenn er diese riesenhaften Werkzeuge auf dem Grunde des Ozeans einer Generation verrosten läßt, so bleibt nur ein Pugatscheff, Fouché, Louval oder Abbé Carlos Herrera von ihnen übrig. Sie sind mit einer ungeheuren Macht über zarte Seelen begabt; sie locken sie an und zermalmen sie. Das ist in seiner Art groß, es ist schön. Es ist die Giftpflanze mit den reichen Farben, die die Kinder in den Wäldern berückt. Es ist die Poesie des Bösen. Menschen wie Sie müßten in Höhlen wohnen und sie nie verlassen. Du hast mich dieses Riesenleben leben lassen, und ich habe meinen Anteil am Dasein gehabt. So kann ich denn den Kopf aus dem gordischen Knoten Deiner Politik zurückziehen, um ihn in die Schlinge meiner Krawatte zu stecken.
    Um meinen Fehler wieder gutzumachen, übergebe ich dem Oberstaatsanwalt einen Widerruf meiner Aussagen. Sie werden sehen, wie Sie aus diesem Aktenstück Nutzen ziehen können.
    Auf Grund eines formgemäßen Testaments, Herr Abbé, wird man Ihnen die Ihrem Orden gehörigen Summen zurückgeben, über die Sie infolge der väterlichen Zärtlichkeit, die Sie mir entgegenbrachten, sehr unklugerweise zu meinen Gunsten verfügt haben.
    Leben Sie also wohl, leben Sie wohl, grandioses Standbild des Bösen und der Verderbnis; leben Sie wohl, der Sie auf dem guten Wege mehr geworden wären als Ximenez, mehr als Richelieu! Sie haben Ihr Versprechen gehalten: ich bin wieder das, was ich am Ufer der Charente war; doch verdanke ich Ihnen inzwischen den Zauber eines Traumes; aber unglücklicherweise ist es nicht mehr der Fluß meiner Heimat, in dem ich die kleinen Sünden meiner Jugend ertränken wollte: es ist die Seine, und mein Loch ist eine Zelle der Conciergerie.
    Sehnen Sie sich nicht nach mir zurück: meine Verachtung für Sie war meiner Bewunderung gleich.
    Lucien.«
    »Erklärung
     
    Ich, der Unterzeichnete, erkläre, daß ich alles zurücknehme, was in dem Protokoll des Verhörs steht, dem mich heute Herr Camusot unterworfen hat.
    Der Abbé Carlos Herrera nannte sich für gewöhnlich meinen geistigen Vater, und ich muß mich getäuscht haben, weil dieses Wort von dem Richter, zweifellos irrtümlicherweise, in einem andern Sinn verstanden wurde.
    Ich weiß, daß zu einem politischen Zweck, um nämlich Geheimnisse zu vernichten, die die Kabinette von Spanien und die der Tuilerien angehen, niedere Agenten der Diplomatie den Abbé Carlos Herrera für einen Sträfling namens Jakob Collin auszugeben versuchen; aber der Abbé Carlos Herrera hat mir in dieser Hinsicht niemals andere Mittellungen gemacht als die über seine Bemühungen, sich die Beweise für den Tod oder das Dasein Jakob Collins zu verschaffen.
    In der Conciergerie, am 15. Mai 1830.
     
    Lucien von Rubempré.«
    Das Fieber des Selbstmordes verlieh Lucien eine große Gedankenklarheit und jene Regsamkeit der Hand, die die Dichter kennen, wenn das Fieber des Schaffens sie packt. Die Bewegung war bei ihm so groß, daß er diese vier Aktenstücke in einer halben Stunde geschrieben hatte; er machte ein Paket daraus, schloß es mit Siegeln, drückte mit der Kraft, die das Delirium verleiht, das Wappen des Siegelrings, den er am Finger trug, hinein und legte es sehr sichtbar mitten auf den Boden. Sicherlich konnte man kaum mehr Würde bewahren in einer so falschen Situation, in die Lucien durch soviel Gemeinheit geraten war: er rettete sein Gedächtnis vor jedem Schimpf, und er machte das seinem Genossen angetane Unrecht wieder gut, soweit der Geist des Dandy die Wirkung des Vertrauens eines Dichters aufheben konnte.
    Wenn Lucien in einer der

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