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Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)

Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)

Titel: Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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in das kellerartige Gelaß geführt, in dem der junge Theodor, angetan mit der Zwangsjacke, auf dem Rand seines scheußlichen Feldbettes saß. Betrüg-den-Tod erkannte in dem Licht, das einen Augenblick vom Gang hereinfiel, auf der Stelle in dem Gendarmen Bibi-Lupin, der, auf seinen Säbel gestützt, aufrecht dastand.
    »io sono Gaba-Morte. Parla nostro Italiano,« sagte Jakob Collin lebhaft. »Vengo ti salvar.« (Ich bin Betrüg-den-Tod, laß uns italienisch sprechen; ich komme, dich zu retten.)
    Alles, was die beiden Freunde sich zu sagen hatten, mußte dem falschen Gendarmen unverständlich bleiben, und da Bibi-Lupin angeblich den Gefangenen zu bewachen hatte, konnte er seinen Posten nicht verlassen. Die Wut des Chefs des Sicherheitsdienstes läßt sich nicht beschreiben.
    Theodor Calvi, ein junger Mensch von blasser und grünlicher Gesichtsfarbe, blondem Haar, hohlen und trübblauen Augen, gutem Körperbau und ungeheurer Muskelkraft, die sich unter jener lymphatischen Erscheinung barg, wie sie die Südländer bisweilen zeigen, hätte ohne die gebogenen Brauen, ohne die niedrige Stirn, die ihm etwas Unheimliches gab, ohne die wilde Grausamkeit der roten Lippen und ohne jenes Zucken der Muskeln, das jene den Korsen eigene ungewöhnliche Reizbarkeit verriet, wie sie diese Leute in einem jähen Streit so schnell zum Morde treibt, das reizendste Gesicht gehabt.
    Theodor hob, von Staunen erfüllt, beim Klang dieser Stimme jäh den Kopf und glaubte an eine Halluzination; da er aber durch den zweimonatigen Aufenthalt mit der tiefen Finsternis in diesem Quaderkasten vertraut geworden war, so seufzte er, als er den falschen Geistlichen erblickte, tief auf. Er erkannte Jakob Collin nicht mehr, denn sein Gesicht, das durch die Wirkung der Schwefelsäure ganz vernarbt war, schien ihm nicht das seines Dab zu sein. »Ich bin es, dein Jakob; ich bin als Priester hier und will dich retten. Mach nicht die Dummheit, mich zu erkennen; tu, als beichtest du.« Das wurde sehr schnell gesagt.
    »Dieser junge Mensch ist ganz niedergeschlagen; er hat Angst vor dem Tode, er wird alles eingestehen,« sagte Jakob Collin zu dem Gendarmen.
    »Sag mir etwas, was mir beweist, daß du ›er‹ bist, denn du hast nur seine Stimme,« sagte Theodor.
    »Sehen Sie, er sagt, er sei unschuldig, der arme Unglückliche!« fuhr Jakob Collin, zu dem Gendarmen gewandt, fort. Bibi-Lupin wagte nichts zu sagen, weil er erkannt zu werden fürchtete.
    »Sempre-mi!« erwiderte Jakob Collin, indem er sich wieder zu Theodor wandte und ihm dieses Losungswort ins Ohr flüsterte. »Sempre-ti!« sagte der junge Mann, indem er die Losung ergänzte. »Es ist mein Dab ...« »Hast du's getan?« »Ja.« »Erzähle mir alles, damit ich sehe, was ich anfangen muß, um dich zu retten; es ist Zeit, Charlot ist da.«
    Der Korse warf sich alsbald auf die Knie, und es sah aus, als wollte er beichten. Bibi-Lupin wußte nicht, was er beginnen sollte; denn diese Unterhaltung ging so schnell, daß sie kaum die Zeit in Anspruch nahm, während der sie gelesen wird. Theodor erzählte schnell die schon bekannten Umstände seines Verbrechens, von denen Jakob Collin freilich nichts wußte. »Die Geschwornen haben mich ohne Beweise verurteilt,« sagte er zum Schluß. »Kind, du streitest noch, während man dir schon die Haare schneiden will! ...« »Aber es ist doch ganz gut möglich, daß ich nur beauftragt war, die Sachen zu versetzen. So richtet man! Und noch dazu in Paris!« »Aber wie hast du die Sache gemacht?« »Ach so. Seit ich dich nicht mehr gesehen habe, habe ich die Bekanntschaft eines kleinen korsischen Mädchens gemacht, die mir begegnete, als ich in Pantin (Paris) ankam.« »Männer, die dumm genug sind, die Weiber zu lieben,« rief Jakob Collin, »kommen immer dadurch um! Weiber sind Tiger in Freiheit, Tiger, die schwätzen und sich im Spiegel besehen! ... Du bist nicht klug gewesen!« »Aber ...« »Laß sehen, wozu hat sie gedient, dies verfluchte Weib? ...« »Dies entzückende Ding ist hoch wie ein Holzscheit, dünn wie ein Aal und behend wie ein Affe; die ist durch den Schornstein geklettert und hat mir die Tür aufgemacht. Die Hunde, die wir mit Fleischklößen gefüttert hatten, waren tot. Ich habe die beiden Frauen kalt gemacht. Als ich das Geld hatte, hat Ginetta die Tür wieder zugeschlossen und ist oben herausgeklettert.« »Eine so schöne Erfindung verdient das Leben!« sagte Jakob Collin, indem er die Ausführung des Verbrechens bewunderte, wie ein Ziseleur das

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