Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)
Schloß.
Als Herr Popinot, Bibi-Lupin, der einen ganzen Tag blieb, um alles zu beobachten, der Staatsanwalt selbst und der Brigadier von Nanterre diese Unmöglichkeiten einmal sicher festgestellt hatten, wurde der Mord zu einem grauenhaften Problem, in dem Polizei und Justiz unterliegen sollten.
Dieses Drama, das die Gerichtszeitung veröffentlichte, hatte sich im Winter 1828 auf 1829 ereignet. Gott weiß, welches neugierige Interesse das unheimliche Abenteuer in Paris erregte; aber Paris, das jeden Morgen neue Dramen zu verschlucken hat, vergißt alles. Nur die Polizei vergißt nichts. Drei Monate nach diesen fruchtlosen Untersuchungen wollte eine öffentliche Dirne, die den Agenten Bibi-Lupins durch ihre Ausgaben aufgefallen war und wegen ihres Verkehrs mit ein paar Dieben überwacht wurde, durch eine ihrer Freundinnen zwölf Gedecke, eine goldene Uhr und eine goldene Kette verpfänden. Die Freundin weigerte sich. Die Sache kam Bibin-Lupin zu Ohren, und er entsann sich der zu Nanterre gestohlenen zwölf Gedecke mit Uhr und Kette. Alsbald wurden alle Beamten in den Leihhäusern und alle Hehler von Paris gewarnt, und Bibi-Lupin unterwarf Manon, die Blonde, einer furchtbaren Beobachtung.
Man erfuhr bald darauf, daß Manon, die Blonde, wahnsinnig in einen jungen Burschen verliebt sei, den man fast niemals sah, denn man sagte, er sei taub gegen alle Liebesbeweise der blonden Manon. Geheimnis über Geheimnis. Diesen jungen Mann bekam man, als er der Aufmerksamkeit der Spione empfohlen wurde, bald zu sehen, dann erkannte man in ihm einen ausgebrochenen Sträfling, den berühmten Helden der korsischen Vendetten, den schönen Theodor Calvi, genannt Magdalene.
Man hetzte einen jener doppelgesichtigen Hehler, die zugleich den Dieben und der Polizei dienen, wider Theodor, und er versprach ihm, die Gedecke und die goldene Uhr mit Kette zu kaufen. In dem Augenblick, als der Alteisenhändler der Cour Saint-Guillaume dem als Frau verkleideten Theodor das Geld hinzählte, es war halb elf Uhr abends, kam die Polizei, verhaftete Theodor und beschlagnahmte die Gegenstände.
Die Untersuchung begann auf der Stelle. Auf Grund so schwacher Indizien war es, im Stil der Staatsanwaltschaft, unmöglich, ›eine Verurteilung zum Tode durchzusetzen‹. Nie widersprach Calvi sich. Er ließ sich nicht fangen: er sagte, eine Frau vom Lande habe ihm in Argenteuil diese Gegenstände verkauft, und als er sie erstanden hatte, hätte ihn das Gerücht von dem zu Nanterre begangenen Mord darüber aufgeklärt, wie gefährlich der Besitz dieser Gedecke und dieser Uhr und Kette wäre; denn da sie in dem Verzeichnis des Nachlasses jenes Pariser Weinhändlers, des Onkels der Witwe Pigeau, geschildert waren, so erwiesen sie sich als die gestohlenen Gegenstände. Schließlich, sagte er, sei er durch das Elend gezwungen worden, die Dinge zu verkaufen, und er habe sich ihrer durch Vermittlung einer noch unverdächtigen Person entledigen wollen.
Aus dem entsprungenen Sträfling war nichts herauszubekommen; er verstand es, durch sein Schweigen und seine Festigkeit den Glauben zu erwecken, der Weinhändler von Nanterre habe das Verbrechen begangen, und die Frau, von der er die kompromittierenden Dinge hätte, sei die Gattin dieses Händlers. Der unglückliche Verwandte der Witwe Pigeau und seine Frau wurden verhaftet; aber nach acht Tagen der Haft und einer genauen Untersuchung wurde festgestellt, daß weder der Gatte noch die Frau zur Zeit des Verbrechens ihre Wohnung verlassen hatten. Übrigens erkannte auch Calvi in der Gattin des Weinhändlers die Frau, die ihm nach seiner Behauptung die Silber- und Goldsachen verkauft hatte, nicht wieder.
Da Calvis Konkubine, die in den Prozeß verwickelt war, überführt wurde, von dem Augenblick des Verbrechens an, bis Calvi das Silber und die Goldsachen verpfänden wollte, etwa tausend Franken ausgegeben zu haben, so schienen diese Indizien hinreichend, um den Sträfling und seine Konkubine vor das Schwurgericht zu stellen. Da dieser Mord der achtzehnte war, den Theodor begangen hatte, wurde er zum Tode verurteilt, denn er schien der Urheber dieses so geschickt begangenen Verbrechens zu sein. Wenn er die Weinhändlerin von Nanterre nicht wiedererkannte, so wurde dafür er von der Frau und dem Gatten wiedererkannt. Die Voruntersuchung hatte durch zahlreiche Zeugenaussagen festgestellt, daß Theodor sich etwa einen Monat lang in Nanterre aufgehalten hatte; er hatte dort bei Maurern gedient; sein Gesicht war stets mit
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