Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)
Modell einer Statuette bewundert. »Ich habe die Dummheit begangen, so viel Talent für tausend Taler zu entfalten!..« »Nein, für eine Frau!« erwiderte Collin. »Und dabei hatte ich dir gesagt, daß sie uns um den Verstand bringen! ...« Jakob Collin warf einen von Verachtung stammenden Blick auf Theodor. »Du warst nicht da!« erwiderte der Korse, »ich war ganz verlassen.« »Und liebst du diese Kleine?« fragte Betrüg-den-Tod, da er fühlte, daß in dieser Antwort ein Vorwurf lag. »Ach, wenn ich am Leben bleiben will, so will ich es jetzt mehr für dich als für sie.« »Sei ruhig! Ich heiße nicht umsonst Betrüg-den-Tod! Ich verbürge mich für dich!« »Wie! Leben? ...« rief der junge Korse, indem er seine umwickelten Arme zum feuchten Gewölbe des Kerkers hob. »Meine kleine Magdalene, mach dich bereit, auf Lebenszeit auf die Wiese zurückzukehren,« erwiderte Jakob Collin. »Darauf mußt du dich gefaßt machen, mit Rosen wird man dich nicht krönen, wie den fetten Ochsen! ... Wenn sie uns schon nach Rochefort geschickt haben, so wollen sie uns los werden! Aber ich werde dich nach Toulon schicken lassen, du brichst aus und kehrst nach Pantin zurück, wo ich dir eine nette kleine Existenz verschaffen werde ...« Ein Seufzer, wie ihrer noch nicht viele unter diesem unbeugsamen Gewölbe erklungen waren, ein Seufzer, den das Glück der Rettung ausstieß, schlug gegen den Stein, der diesen unvergleichlich musikalischen Ton dem verblüfften Bibi-Lupin ins Ohr warf.
»Das ist die Folge der Absolution, die ich ihm wegen seiner Enthüllungen versprochen habe,« sagte Jakob Collin zu dem Chef der Sicherheitspolizei. »Diese Korsen, sehen Sie, Herr Gendarm, sind voll des Glaubens! Aber er ist unschuldig wie das Jesuskindlein, und ich werde versuchen, ihn zu retten ...« »Gott sei mit Ihnen, Herr Abbé!« sagte Theodor auf französisch.
Betrüg-den-Tod, der mehr als je Carlos Herrera und Stiftsherr war, verließ die Kammer des Verurteilten, stürzte in den Gang und spielte, als er vor Herrn Gault trat, helles Entsetzen. »Herr Direktor, dieser junge Mann ist unschuldig, er hat mir den Schuldigen verraten! ... Er wollte aus falschem Ehrgefühl sterben ... Er ist ein Korse! Gehen Sie«, sagte er, »und bitten Sie den Herrn Oberstaatsanwalt um fünf Minuten Gehör für mich. Herr von Granville wird sich nicht weigern, auf der Stelle einen spanischen Priester anzuhören, der so sehr unter den Irrtümern der französischen Rechtsprechung leidet!« »Ich gehe hin!« erwiderte Herr Gault zum großen Erstaunen aller Zuschauer dieser außerordentlichen Szene. »Aber«, sagte Jakob Collin, »lassen Sie mich inzwischen wieder auf den Hof führen, denn ich will die Bekehrung eines Verbrechers vollenden, den ich schon bis ins Herz gerührt habe ... Sie haben noch ein Herz, diese Leute!«
Diese Anrede hatte eine Bewegung unter all denen zur Folge, die anwesend waren. Die Gendarmen, der Kanzlist, Sanson, die Aufseher und der Gehilfe des Scharfrichters, die auf den Befehl warteten, daß ›die Maschine errichtet werden‹ sollte, all diese Menschen, an denen die Empfindungen abgleiten, wurden von einer sehr begreiflichen Neugier erfaßt.
In diesem Augenblick hörte man den Lärm einer mit prachtvollen Pferden bespannten Equipage, die auf dem Kai vor dem Gitter der Conciergerie in bezeichnender Weise anhielt. Der Wagenschlag wurde so lebhaft geöffnet, der Tritt so schnell hinabgeschlagen, daß jedermann glaubte, es sei eine große Persönlichkeit eingetroffen. Bald darauf zeigte sich am Gitter eine Dame, die ein blaues Papier schwang; ihr folgten ein Lakai und ein Jäger. Sie war ganz in Schwarz, aber prunkvoll gekleidet, und ihr Hut war mit einem Schleier bedeckt; sie wischte sich mit einem sehr großen gestickten Taschentuch die Tränen ab.
Jakob Collin erkannte auf der Stelle Asien oder, um dieser Frau ihren wahren Namen zurückzugeben, Jakobine Collin, seine Tante. Diese furchtbare Alte, die ihres Neffen würdig war, deren sämtliche Gedanken auf den Gefangenen konzentriert waren und die ihn mit einer Intelligenz und einem Scharfblick verteidigte, die denen der Justiz mindestens gleichkamen, hatte einen Erlaubnisschein, der am Tage zuvor auf den Namen einer Kammerfrau der Herzogin von Maufrigneuse ausgestellt worden war; und zwar war er auf Empfehlung des Herrn von Sérizy zu dem Zweck erteilt worden, daß sie mit Lucien und dem Abbé Carlos Herrera sprechen dürfte, sowie er nicht mehr in strengem Gewahrsam war; der
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