Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)
zu Le Biffon.
»Ich weiß, wie sehr du La Bisse liebst ...« sagte Jakob Collin zu Le Biffon. Der Blick, den Le Biffon ihm zuwarf, war ein ganzes Gedicht des Grauens. »Was wird sie machen, während du auf der Wiese bist?« Eine Träne befeuchtete die wilden Augen Le Biffons. »Nun, wenn ich sie auf ein Jahr ins Weiberloch brächte, bis du geliefert bist, fortgehst und ausbrichst?« »Das Wunder kannst du nicht vollbringen, sie ist unbeteiligt,« erwiderte La Bisses Liebhaber. »Ach, mein Biffon,« sagte La Pouraille, »unser Dab ist mächtiger als der Meg.« »Welches ist deine Losung bei ihr?« fragte Jakob Collin Le Biffon mit der Sicherheit eines Meisters, dem man keine Abweisung zuteil werden lassen darf. »›Nacht in pantin (Paris).‹ An dem Wort erkennt sie, daß man von mir kommt; und wenn du willst, daß sie dir gehorcht, so zeig ihr ein Fünffrankenstück und sprich das Wort ›Tondif‹.« »Sie wird zugleich mit La Pourailles Lieferung verurteilt und nach einem Jahr ›Schatten‹ wegen Aufklärung begnadigt werden,« sagte Jakob Collin sentenziös, indem er La Pouraille ansah.
La Pouraille begriff den Plan seines Dab und versprach ihm durch einen einzigen Blick, Le Biffon zur Mitwirkung zu bestimmen; er mußte es durchsetzen, daß La Bisse die falsche Mitschuld an dem Verbrechen übernahm, dessen er sich bezichtigen wollte. »Adieu, meine Kinder. Ihr werdet bald erfahren, daß ich meinen Kleinen aus Charlots Händen gerettet habe;« sagte Betrüg-den-Tod. »Ja, Charlot stand mit seinen Soubretten schon in der Kanzlei, um die ›Toilette‹ vorzunehmen! Seht ihr, da holt man mich zum Dab des Storches (Oberstaatsanwalt).«
Wirklich winkte eben ein Aufseher, der aus dem Portal heraustrat, diesem außerordentlichen Menschen, dem die Gefahr, in der der junge Korse schwebte, jene wilde Kraft zurückgegeben hatte, mit der er gegen die Gesellschaft zu kämpfen verstand.
Es ist nicht überflüssig, hier zu bemerken, daß Jakob Collin in dem Augenblick, in dem man ihm Luciens Leiche nahm, einen entscheidenden Entschluß gefaßt hatte: den nämlich, eine letzte Metamorphose zu versuchen und sich, diesmal nicht mit einem Menschen, sondern mit einer Sache zu identifizieren. Er war endlich zu der großen Entscheidung gekommen, zu der Napoleon auf der Schaluppe kam, die ihn zum Bellerophon führte. Durch ein wunderliches Zusammentreffen von allerlei Umständen half diesem Genie des Bösen und der Verderbnis alles in seinem Unternehmen.
Daher ist es denn auch, selbst auf die Gefahr hin, daß die unerwartete Entwicklung dieses Verbrecherlebens ein wenig von dem Wunderbaren einbüßt, das heutzutage nur durch unzulässige Unwahrscheinlichkeiten zu erreichen ist, nötig, ehe wir mit Jakob Collin das Zimmer des Oberstaatsanwalts betreten, Frau Camusot zu den Personen zu folgen, die sie aufsuchte, während all diese Ereignisse sich in der Conciergerie abspielten. Eine der Verpflichtungen, denen der Sittenschilderer sich niemals entziehen darf, besteht darin, die Wahrheit nie durch scheinbar dramatische Anordnung zu zerstören, vor allem dann, wenn die Wahrheit sich die Mühe macht, romantisch zu werden. Die soziale Natur bringt, vor allem in Paris, solche Zufälle mit sich, so launenhafte Verschlingungen der Verhältnisse, daß die Phantasie der Erfinder mit jedem Augenblick übertroffen wird. Die Verwegenheit der Wirklichkeit erhebt sich zu Kombinationen, die der Kunst verboten sind, so unwahrscheinlich oder unschicklich erscheinen sie, wenn der Schriftsteller sie nicht mildert, ausputzt und verschneidet.
Frau Camusot versuchte, sich eine einigermaßen geschmackvolle Morgentoilette zusammenzustellen: ein ziemlich schwieriges Unternehmen für die Frau eines Richters, der seit sechs Jahren beständig in der Provinz gelebt hatte. Es galt, weder bei der Marquise d'Espard noch bei der Herzogin von Maufrigneuse der Kritik eine Handhabe zu geben, wenn sie sie zwischen acht und neun Uhr morgens aufsuchte. Amelie Cäcilie Camusot hatte, obwohl sie eine geborene Thirion war – beeilen wir uns, es zu sagen –, einen halben Erfolg. Doch heißt das nicht, in Toilettedingen nur sich doppelt täuschen?
Man kann sich nicht vorstellen, wie nützlich Pariser Frauen den Ehrgeizigen auf allen Gebieten sind. Sie sind in der großen Welt genau so notwendig wie in der Welt der Diebe, wo sie, wie man gesehen hat, eine so große Rolle spielen. Man nehme also an, ein Mann sei gezwungen, wenn er nicht im Rennen zurückbleiben will,
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