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Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)

Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)

Titel: Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Grandlieu ist doch nicht da hinein verwickelt?« »Die Frau Marquise wird alles von Seiner Gnaden erfahren, denn mein Mann hat mir nichts gesagt, er hat mir nur von der Gefahr gesprochen, in der er schwebt. Es wäre besser für uns, wenn Frau von Sérizy stürbe, als wenn sie wahnsinnig bleibt.« »Die arme Frau!« sagte die Marquise, »Aber war sie es nicht schon immer?«
    Die Frauen der Gesellschaft zeigen durch die tausend Arten, wie sie denselben Satz aussprechen, dem aufmerksamen Beobachter die unendliche Bedeutung der Tonarten in der Musik. Die ganze Seele strömt, wie in den Blick, auch in den Ton; sie prägt sich im Licht wie in der Luft aus, den Elementen, in denen die Augen und die Stimmbänder wirken. Durch die Betonung der beiden Worte: ›die arme Frau!‹ ließ die Marquise die Genugtuung des befriedigten Hasses, das Glück des Triumphes erraten. Ach, wieviel Unglück wünschte sie nicht der Gönnerin Luciens! Die Rachsucht, die den Tod des gehaßten Wesens überlebt, die nie zu sättigen ist, flößt düsteres Grauen ein. So war denn auch Frau Camusot, obwohl sie harten, gehässigen und zänkischen Charakters war, ganz verblüfft. Sie fand keine Antwort und schwieg. »Diana hat mir allerdings gesagt, daß Leontine ins Gefängnis gegangen war,« fuhr Frau d'Espard fort. »Die gute Herzogin ist in Verzweiflung wegen dieses Skandals, denn es ist eine Schwäche von ihr, daß sie Frau von Sérizy nun einmal liebt; aber das ist ja begreiflich, sie haben diesen kleinen Dummkopf Lucien fast gleichzeitig angebetet, und nichts verbindet oder veruneinigt zwei Frauen leichter, als wenn sie ihre Andacht am gleichen Altar verrichten. Gestern hat diese liebe Freundin zwei Stunden in Leontinens Schlafzimmer gesessen. Es scheint, daß die arme Gräfin furchtbare Dinge gesagt hat! Ich habe gehört, es sei ganz ekelhaft ... Eine anständige Frau sollte doch nicht solchen Anfällen unterworfen sein! ... Pfui, es ist eine rein physische Leidenschaft ... Als die Herzogin mich aufsuchte, war sie blaß wie der Tod; sie hat viel Mut gezeigt! Es kommen ungeheuerliche Dinge in dieser Angelegenheit an den Tag ...« »Mein Mann wird dem Justizminister zu seiner Rechtfertigung alles sagen, denn man wollte Lucien retten, und er, Frau Marquise, hat seine Pflicht getan. Ein Untersuchungsrichter muß die Leute, die in strengem Gewahrsam sitzen, innerhalb einer gesetzlichen Frist verhören! ... Er mußte ihm doch Fragen stellen, diesem unglücklichen Kleinen, der nicht begriff, daß man ihn nur der Form wegen verhörte, und der sofort ein Geständnis ablegte ...« »Er war so dumm wie frech!« sagte Frau d'Espard trocken.
    Die Frau des Richters bewahrte Schweigen, als sie diesen Urteilsspruch hörte. »Wenn wir mit der Entmündigung d'Espards unterlegen sind, so ist es nicht Camusots Schuld, das werde ich nie vergessen!« fuhr die Marquise nach einer Pause fort. »Lucien, die Herren von Sérizy, von Bauvan und von Granville haben uns zu Fall gebracht. Mit der Zelt wird Gott sich zu uns wenden. Selen Sie ruhig, ich werde den Chevalier d'Espard zum Justizminister schicken, damit er sich beeilt, Ihren Gatten holen zu lassen, wenn das von Nutzen ist ...« »Ach, gnädige Frau ...« »Hören Sie mich an,« sagte die Marquise; »ich verspreche Ihnen sofort die Dekoration der Ehrenlegion für morgen! Das wird ein deutliches Zeichen der Zufriedenheit mit Ihrem Verhalten in dieser Angelegenheit sein. Ja, das ist nur ein Schimpf mehr für Lucien, das wird ihn schuldig sprechen! Man hängt sich im allgemeinen nicht zum Vergnügen auf ... Nun adieu, liebe Schöne!«
    Zehn Minuten darauf trat Frau Camusot in das Schlafzimmer der schönen Diana von Maufrigneuse, die erst um ein Uhr zu Bett gegangen war und um neun Uhr noch nicht schlief. So unempfindlich Herzoginnen auch sind, so können solche Frauen, deren Herz aus Stuck ist, doch keine ihrer Freundinnen dem Wahnsinn verfallen sehen, ohne daß dieses Schauspiel einen tiefen Eindruck auf sie macht. Zudem hatte die Verbindung zwischen Diana und Lucien, wiewohl sie seit achtzehn Monaten abgebrochen war, doch im Herzen der Herzogin noch genug Erinnerungen hinterlassen, daß auch ihr der unheimliche Tod dieses Kindes einen furchtbaren Schlag versetzte. Diana hatte die ganze Nacht hindurch den so reizenden, so poetischen jungen Mann, der so schön zu lieben verstand, hängen sehen, wie Leontine ihn in ihren Anfällen mit den Gesten des hitzigen Fiebers schilderte. Sie hatte von Lucien noch beredte,

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