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Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)

Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)

Titel: Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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berauschende Briefe, die denen zu vergleichen waren, wie Mirabeau sie an Sophie geschrieben hatte, nur waren sie literarischer, sorgfältiger, denn sie waren von der gewaltigsten aller Leidenschaften diktiert worden: von der Eitelkeit! Daß er die reizendste aller Herzoginnen besaß, daß er es erlebte, wie sie für ihn Dummheiten beging, heimliche Dummheiten wohlverstanden, dieses Glück hatte Lucien den Kopf verdreht. Der Stolz des Liebhabers hatte den Dichter inspiriert. Daher hatte die Herzogin auch diese aufregenden Briefe aufbewahrt, wie gewisse Greise obszöne Stiche besitzen, nämlich wegen der übertriebenen Lobpreisungen, die dem gespendet wurden, was an ihr am wenigsten herzoglich war. ›Und er ist in einem scheußlichen Gefängnis gestorben!‹ sagte sie sich, indem sie diese Briefe entsetzt zusammenraffte, als sie ihre Kammerfrau leise an die Tür klopfen hörte.
    »Frau Camusot in einer Sache von äußerster Wichtigkeit, die die Frau Herzogin angehe,« sagte die Kammerfrau. Diana sprang voller Entsetzen auf die Füße. »Oh,« sagte sie, indem sie Amelie ansah, die sich eine passende Miene zurechtgemacht hatte, »ich errate alles! Es handelt sich um meine Briefe ... Ach, meine Briefe! Ach, meine Briefe!«
    Und sie sank in einen Sessel; jetzt erst fiel ihr ein, daß sie im Überschwang ihrer Leidenschaft Lucien im selben Ton geantwortet hatte; daß sie die Poesie des Mannes gesungen hatte, wie er die Glorie der Frau besang, und in welchen Dithyramben!
    »Leider ja, gnädige Frau! Ich komme, um Ihnen mehr zu retten als das Leben! Es handelt sich um Ihre Ehre ... Kommen Sie zur Besinnung, ziehen Sie sich an, lassen Sie uns zur Herzogin von Grandlieu gehen; denn zu Ihrem Glück sind Sie nicht die einzige, die kompromittiert wird.« »Aber Leontine hat gestern, wie man mir sagte, im Palast alle bei unserm armen Lucien beschlagnahmten Briefe verbrannt.« »Nein, gnädige Frau! Hinter Lucien stand Jakob Collin!« rief die Frau des Richters. »Sie vergessen diesen furchtbaren Menschen, der sicherlich die einzige Ursache für den Tod dieses reizenden, bedauernswerten jungen Mannes ist! Nun hat dieser Machiavelli des Bagnos niemals den Kopf verloren! Herr Camusot hat die Gewißheit, daß dieses Ungeheuer die kompromittierendsten Briefe der Geliebten seines ...« »Seines Freundes in Sicherheit gebracht hat,« sagte die Herzogin schnell. »Sie haben recht, schöne Kleine, wir müssen zu den Grandlieus gehen, um zu beraten. Wir sind alle an dieser Angelegenheit interessiert, und zum Glück wird Sérizy uns die Hand reichen ...«
    Die höchste Gefahr übt, wie wir es bei den Szenen in der Conciergerie sehen konnten, eine ebenso furchtbare Macht auf die Seele, wie die stärksten Reagenzien sie über den Körper besitzen. Sie ist eine moralische Voltasche Säule. Vielleicht ist der Tag nicht mehr fern, an dem man die Art und Weise erkennt, wie die Empfindung sich chemisch in ein Fluidum verwandelt, das dem der Elektrizität annähernd ähnlich ist.
    Es war bei dem Sträfling und der Herzogin dieselbe Erscheinung. Diese niedergeschlagene Frau, die dem Tode nahe war und nicht geschlafen hatte, diese Herzogin, die so schwer anzukleiden war, hatte plötzlich die Kraft einer umstellten Löwin und die Geistesgegenwart eines Generals im Feuer. Sie wählte selbst ihre Kleider aus und improvisierte ihre Toilette mit der Geschwindigkeit einer Grisette, die sich selbst als Kammerfrau bedient. Es war ein solches Wunder, daß die Zofe einen Augenblick regungslos wie angewurzelt stehen blieb, so überrascht war sie, ihre Herrin im Hemd zu erblicken, wie sie, vielleicht nicht ohne Vergnügen, der Frau des Richters durch den hellen Nebel der Wäsche einen weißen Körper zeigte, der ebenso vollkommen war wie der der Venus Canovas. Er war wie ein Schmuckstück unter feinem Seidenpapier. Diana hatte sich im Nu erinnert, wo sich das Korsett für ihre galanten Abenteuer befand, jenes Korsett, das vorn gehakt wird und eiligen Frauen die Mühe und die so schlecht angewandte Zeit des Schnürens erspart. Sie hatte schon die Spitzen des Hemdes zurechtgelegt und die Schönheiten ihrer Büste passend gruppiert, als die Kammerfrau den Unterrock brachte und das Werk vollendete, indem sie ein Kleid hinreichte. Während Amelie auf einen Wink der Kammerfrau der Herzogin half und das Kleid hinten zuhakte, holte die Zofe Strümpfe aus Fil d'Ecosse, Samtstiefel, einen Schal und einen Hut. Amelie und die Kammerfrau bekleideten je ein Bein.
    »Sie sind

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