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Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)

Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)

Titel: Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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die schönste Frau, die ich je gesehen habe,« sagte Amelie geschickt, indem sie Dianas feines und glattes Knie in leidenschaftlicher Bewegung küßte. »Die gnädige Frau hat nicht ihresgleichen,« sagte die Kammerfrau. »Halt, Josette, still,« erwiderte die Herzogin. »Sie haben einen Wagen?« fragte sie Frau Camusot; »nun, meine kleine Schöne, wir werden unterwegs plaudern.«
    Und die Herzogin eilte die große Treppe des Hotels Cadignan hinab und zog sich erst dabei die Handschuhe an, was man noch nie erlebt hatte. »Zum Hotel Grandlieu, und zwar rasch!« sagte sie zu einem der Bedienten, indem sie ihm winkte, hinten auf den Wagen zu steigen. Der Diener zögerte, denn dieser Wagen war ein Fiaker.
    »Ach, Frau Herzogin, Sie hatten mir nicht gesagt, daß dieser junge Mann Briefe von Ihnen besaß! Sonst wäre Camusot sehr viel anders vorgegangen ...« »Leontine beschäftigte mich so sehr, daß ich an mich selbst gar nicht gedacht habe,« sagte sie. »Die arme Frau war schon vorgestern fast wahnsinnig; und nun sagen Sie sich selbst, welche Verwirrung erst dieser verhängnisvolle Ausgang bei ihr anrichten mußte! Ach, wenn Sie wüßten, meine Kleine, was für einen Morgen wir gestern erlebt haben ... Nein, man könnte aller Liebe entsagen! Gestern wurden wir beide, Leontine und ich, von einer scheußlichen Alten, einer Kleiderhändlerin, einem Mannweib, in diese stinkende und blutige Gosse geschleppt, die man das Gericht nennt; und ich sagte ihr, als ich sie in den Palast fuhr: ›Könnte man nicht auf die Knie fallen und wie Frau von Nucingen rufen, als sie auf dem Wege nach Neapel einen jener beängstigenden Stürme des Mittelmeers erlebte: Mein Gott, rette mich diesmal; und dann nie wieder!‹ Auf jeden Fall sind dies zwei Tage, die in meinem Leben zählen werden! Sind wir borniert, daß wir überhaupt schreiben! ... Aber man liebt! Man erhält Briefe, die durch die Augen die Glut ins Herz träufeln, und alles steht in Flammen! Und die Vorsicht fliegt fort, man antwortet ...« »Weshalb antworten, wenn man handeln kann?« sagte Frau Camusot. »Es ist so schön, sich zugrunde zu richten! ...« rief die Herzogin stolz. »Das ist eine Wollust der Seele.« »Schöne Frauen«, versetzte Frau Camusot bescheiden, »sind zu entschuldigen, sie haben öfter als wir Gelegenheit, zu erliegen.«
    Die Herzogin lächelte. »Wir sind immer zu großmütig,« fuhr Diana von Maufrigneuse fort. »Ich werde es machen wie diese scheußliche Frau d'Espard.« »Und wie macht sie es?« fragte die Frau des Richters neugierig. »Sie hat tausend Liebesbriefe geschrieben ...« »So viel! ...« rief die Camusot, indem sie die Herzogin unterbrach. »Nun, meine Liebe, man fände nicht einen Satz darin, der sie kompromittierte!« »Sie wären nicht imstande, diese Kühle, diese Bedachtsamkeit zu bewahren,« erwiderte Frau Camusot. »Sie sind eine Frau, Sie gehören zu jenen Engeln, die dem Teufel nicht widerstehen könnten ...« »Ich habe mir geschworen, nie mehr etwas zu schreiben. Ich habe in meinem ganzen Leben nur an diesen unglücklichen Lucien geschrieben. Ich werde seine Briefe bis zu meinem Tode aufbewahren! Meine liebe Kleine, das ist Feuer! Man braucht bisweilen ...« »Wenn man sie fände!« sagte die Camusot mit einer leisen, schamhaften Geste. »Oh, dann würde ich sagen, das seien Briefe aus einem begonnenen Roman; denn ich habe alle abgeschrieben und die Originale verbrannt!« »O gnädige Frau, lassen Sie sie mich zum Lohne lesen ...« »Vielleicht,« sagte die Herzogin. »Dann werden Sie sehen, daß er Leontine solche Briefe doch nicht geschrieben hat!«
    Dieses letzte Wort war die Frau an sich, die Frau aller Zeiten und aller Länder.
    Wie der Frosch in der Fabel Lafontaines, barst Frau Camusot in ihrer Haut vor Vergnügen, weil sie in Gesellschaft der schönen Diana von Maufrigneuse zu den Grandlieus kam. Sie wollte an diesem Morgen eine jener Verbindungen anknüpfen, wie sie für den Ehrgeiz so notwendig sind. Schon hörte sie sich ›Frau Präsidentin‹ nennen. Sie empfand den unsäglichen Genuß, über ungeheure Hindernisse zu triumphieren, deren größtes die noch nicht kundgewordene Untüchtigkeit ihres Mannes war, die sie wohl kannte. Einem mittelmäßigen Menschen zum Glück zu verhelfen, das heißt für eine Frau wie für einen König, sich das Vergnügen leisten, das so viele große Schauspieler anlockt und das darin besteht, ein schlechtes Stück hundertmal zu spielen. Es ist der Rausch des Egoismus! Kurz, es sind

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