Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)
zu weit.«
Die beiden Herzoge hörten vor der Freitreppe mit dem Getöse, das im Galopp dahingejagte Pferde machen, einen Wagen halten; sie grüßten die beiden Frauen und ließen sie allein, um in das Arbeitszimmer des Herzogs von Grandlieu zu gehen, in das man eben auch den Bewohner der Rue Honoré-Chevalier einführte; es war kein anderer als der Chef der Gegenpolizei des Schlosses, der politischen Polizei, der unbekannte und doch so mächtige Corentin.
»Treten Sie ein,« sagte der Herzog von Grandlieu, »treten Sie ein, Herr von Saint-Denis.« Corentin, der erstaunt war, bei dem Herzog ein so gutes Gedächtnis zu finden, trat als erster ein, nachdem er vor den beiden Herzogen eine tiefe Verbeugung gemacht hatte.
»Es handelt sich immer noch um dieselbe Persönlichkeit, mein lieber Herr,« sagte der Herzog von Grandlieu. »Aber er ist tot,« sagte Corentin. »Es bleibt ein Genosse,« bemerkte der Herzog von Chaulieu, »ein schlimmer Genosse.« »Der Sträfling Jakob Collin!« erwiderte Corentin.
»Sprich, Ferdinand,« sagte der Herzog von Chaulieu zu dem ehemaligen Gesandten. »Der Elende ist zu fürchten,« sagte der Herzog von Grandlieu; »denn er hat sich, um sie als Lösegeld benutzen zu können, der Briefe bemächtigt, die die Damen von Sérizy und von Maufrigneuse an diesen Lucien Chardon, sein Geschöpf, geschrieben haben. Es scheint, es war das System dieses jungen Mannes, für seine Briefe leidenschaftliche Antworten zu entlocken; denn auch Fräulein von Grandlieu hat, wie man sagt, ein paar geschrieben; man fürchtet es wenigstens, und wir können nichts feststellen, denn sie ist auf Reisen ...« »Der kleine junge Mann«, erwiderte Corentin, »war nicht imstande, sich solche Vorräte anzulegen! ... Das sind Maßnahmen, die der Abbé Carlos Herrera getroffen hat!«
Corentin stützte den Ellbogen auf die Armlehne des Sessels, in dem er saß, und legte den Kopf überlegend in die Hand. »Geld!... Dieser Mensch hat mehr als wir,« sagte er. »Esther Gobseck hat ihm als Köder gedient, um annähernd zwei Millionen in diesem Goldstücksteich namens Nucingen zu fischen ... Meine Herren, lassen Sie mir Vollmacht geben durch den, dem es zusteht, und ich befreie Sie von diesem Menschen! ...« »Und ... von den Briefen?« fragte der Herzog von Grandlieu Corentin.
»Hören Sie, meine Herren!« erwiderte Corentin, indem er aufstand und sein Mardergesicht zeigte, das in siedender Bewegung war. Er bohrte die Hände in die Taschen seiner Strumpfhose aus schwarzem Molton. Dieser große Schauspieler des historischen Dramas unserer Zeiten hatte sich nur eine Weste und einen Rock angezogen; er hatte seine Morgenhose nicht abgelegt, so genau wußte er, wie dankbar die Großen bei gewissen Gelegenheiten für die Geschwindigkeit sind. Er ging vertraulich im Zimmer auf und ab, indem er mit lauter Stimme sprach, als wäre er allein. »Er ist ein Sträfling! Man kann ihn ohne Prozeß zu Bicêtre in Geheimhaft werfen; da ist keinerlei Verkehr möglich, und man kann ihn da verenden lassen ... Aber er kann seinen Spießgesellen, da er diesen Fall voraussah, schon seine Anweisungen gegeben haben!« »Er ist ja aber sofort in Geheimhaft genommen worden,« sagte der Herzog von Grandlieu, »als er unvermutet bei jener Frau verhaftet wurde.« »Gibt es für diesen Burschen überhaupt eine Geheimhaft?« erwiderte Corentin; »der ist ebenso schlau wie ... wie ich!« »Was tun?« fragten die beiden Herzoge sich durch einen Blick.
»Wir können den Schlingel auf der Stelle wieder ins Bagno schicken ... nach Rochefort; da ist er in sechs Monaten tot! Oh, ohne ein Verbrechen!« sagte Corentin als Antwort auf eine Geste des Herzogs von Grandlieu. »Was wollen Sie, ein Sträfling halt gegen einen heißen Sommer nicht länger als sechs Monate stand, wenn man ihn mitten in den Miasmen der Charente zu wirklicher Arbeit zwingt. Aber das nützt nichts, wenn er in betreff der Briefe schon seine Maßnahmen getroffen hat. Wenn der Schlingel seinen Gegnern mißtraute, und das ist wahrscheinlich, so muß man herausbekommen, welches seine Maßregeln sind. Wenn der, der die Briefe in Händen hat, arm ist, ist er auch bestechlich ... Es handelt sich also darum, Jakob Collin zum Schwätzen zu bringen. Was für ein Zweikampf! Dabei werde ich besiegt. Besser wäre es noch, diese Briefe durch einen andern zu erkaufen; durch einen Begnadigungsbrief! Und mir dann diesen Menschen in meine Budike zu liefern. Jakob Collin ist der einzige Mensch, der imstande
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