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Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)

Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)

Titel: Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Eintagsleidenschaften zu befriedigen. Ich habe dein Leben erhöht, indem ich ihm aufprägte, was dir die Anbetung der großen Menge verschafft: das Siegel der Politik und der Herrschaft. Du sollst so groß werden, wie du klein bist; aber du darfst nicht den Prägstock zerbrechen, mit dem wir Geld münzen. Ich erlaube dir alles, ausgenommen die Fehler, die deine Zukunft zertrümmern würden. Wenn ich dir die Salons des Faubourg Saint-Germain öffne, so verbiete ich dir, dich in der Gosse zu wälzen. Lucien, ich werdein deinem Interesse wie eine Eisenschranke sein; ich will alles von dir, für dich erdulden. Und deshalb habe ich deinen Mangel an Fühlung mit dem Spiel des Lebens in die Finesse eines gewandten Spielers verwandelt ...«
    Lucien hob in einer Bewegung wütender Schroffheit den Kopf. »Ich habe die Torpille entführt!« »Du?« schrie Lucien auf. In einem Anfall tierischer Wut sprang der Dichter empor und warf dem Priester, den er so heftig zurückstieß, daß er den Athleten zu Boden schleuderte, das Bocchinetto aus Gold und Edelsteinen ins Gesicht. »Ich!« sagte der Spanier, indem er sich erhob, und ohne seine furchtbare Würde zu verlieren.
    Die schwarze Perücke war gefallen. Ein Schädel, blank wie ein Totenkopf, gab diesem Manne seine wahre Physiognomie zurück; sie war grauenhaft. Lucien lag mit hängenden Armen und überwältigt auf seinem Diwan und starrte den Abbé mit stumpfer Miene an.
    »Ich habe sie entführt,« wiederholte der Priester. »Was hast du aus ihr gemacht? Du hast sie am Morgen nach dem Maskenball entführt ...« »Ja, am Morgen nach dem Tage, als ich sah, wie ein Wesen, das dir gehörte, von Schelmen beschimpft wurde, denen ich nicht den Fuß in den ...« »Schelmen?« sagte Lucien, indem er ihn unterbrach, »sag Ungeheuern, neben denen die, die man guillotiniert, Engel sind. Weißt du, was die Torpille für drei unter ihnen getan hat? Einer von ihnen war zwei Monate lang ihr Liebhaber. Sie war arm und suchte sich ihr Brot in der Gosse; er hatte keinen Heller, er war wie ich, als du mir begegnetest, dem Abgrund recht nahe; mein Bürschchen stand nachts auf und ging zu dem Schrank, in dem sich die Reste der Mittagsmahlzeit dieses Mädchens befanden, und aß sie auf; sie entdeckte schließlich diese Kniffe und begriff seine Scham; sie sorgte dafür, daß viele Reste übrigblieben, und sie war glücklich; sie hat das niemandem als mir gesagt, in ihrem Fiaker, als wir aus der Oper kamen. Der zweite hatte gestohlen; aber ehe man den Diebstahl bemerken konnte, lieh sie ihm die Summe, die er wieder hinlegen konnte; und er hat stets vergessen, sie dem armen Mädchen zurückzugeben. Und was den dritten anbetrifft, so hat sie sein Glück gemacht, indem sie eine Komödie spielte, die dem Genie Figaros ebenbürtig war: sie hat sich für seine Frau ausgegeben und ist die Geliebte eines allmächtigen Mannes geworden, der sie für die naivste der Bürgerfrauen hielt. Dem einen das Leben, dem andern die Ehre, dem letzten sein Vermögen, und das bedeutet heute alles das gleiche! Und so wird es ihr von ihnen gelohnt ...« »Willst du, daß sie sterben?« sagte Herrera, dem eine Träne in die Augen trat. »Nun, da bist du! Jetzt erkenne ich dich ...« »Nein, erfahre alles, rasender Dichter,« sagte der Priester; »die Torpille lebt nicht mehr.«
    Lucien warf sich so kräftig auf Herrera, um ihn an der Kehle zu packen, daß jeder andere gestürzt wäre; aber der Arm des Spaniers hielt den Dichter zurück.
    »Höre doch zu,« sagte er kühl. »Ich habe eine keusche, reine, wohlerzogene, fromme Frau aus ihr gemacht, eine anständige Frau; sie ist auf dem Wege der Bildung. Sie kann, sie muß, unter der Herrschaft deiner Liebe, eine Ninon, eine Marion Delorme, eine Dubarry werden, wie dieser Journalist in der Oper sagte. Du wirst sie als deine Geliebte anerkennen oder hinter dem Vorhang deiner Schöpfung verborgen bleiben, was verständiger ist! Das eine wie das andere wird dir Vorteil und Ruhm, Genuß und Fortschritt eintragen. Aber wenn du ein ebenso großer Politiker wie Dichter bist, so wird dir Esther nur eine Dirne sein; denn später wird sie uns vielleicht aus der Verlegenheit ziehen, sie ist ihr Gewicht in Gold wert. Trinke, aber berausche dich nicht. Wenn ich deiner Leidenschaft nicht in die Zügel gefallen wäre, wo wärst du da heute? Du hättest dich mit der Torpille im Schlamm des Elends gewälzt, aus dem ich dich herausgezogen habe ... Da, lies!« sagte Herrera so einfach wie Talma im

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