Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)
nicht die Statur, um Königinnen zu gefallen. Was man auch tue, in einem Leben des Ehrgeizes wird man stets in dem Augenblick, in dem man eine derartige Begegnung am wenigsten erwartet, auf eine Frau stoßen, So mächtig ein großer Politiker auch sei, er braucht eine Frau, um sie der Frau entgegenzustellen, genau wie die Holländer den Diamanten mit dem Diamanten schleifen. Rom gehorchte im Augenblick seiner Macht dieser Notwendigkeit. Man sehe sich doch an, wie viel reicher an Herrschgewalt das Leben Mazarins, des italienischen Kardinals, war, als das Richelieus, des französischen Kardinals! Richelieu findet Widerstand bei den großen Herren, er legt die Axt an; er stirbt in der Blüte seiner Macht, verbraucht von dem Zweikampf, in dem ihn nur ein Kapuziner unterstützte. Mazarin wird vom verbündeten, bewaffneten und zeitweise siegreichen Bürgertum und Adel, die das Königshaus zur Flucht zwingen, zurückgestoßen; aber der Diener Annas von Österreich nimmt niemandem das Leben, weiß ganz Frankreich zu besiegen und erzieht Ludwig XIV., der Richelieus Werk vollendet, indem er im großen Serail von Versailles den Adel mit vergoldeten Schnüren erdrosselt. Als Frau von Pompadour stirbt, ist Choiseul verloren. Hatte Herrera sich von dieser hohen Lehre durchdringen lassen? Hatte er früher als Richelieu sich selbst Gerechtigkeit widerfahren lassen? Hatte er in Lucien einen Cinq-Mars erwählt, aber einen treuen Cinq-Mars? Niemand konnte auf diese Fragen antworten noch den Ehrgeiz dieses Spaniers ermessen, wie man auch nicht voraussehen konnte, welches sein Ende sein würde. Diese Fragen derer, die einen Blick auf den lange verheimlichten Bund werfen konnten, strebten danach, ein furchtbares Geheimnis zu durchschauen, das auch Lucien erst seit wenigen Tagen kannte. Carlos war für zwei ehrgeizig; das zeigte sein Verhalten denen, die ihn kannten und die alle glaubten, Lucien sei ein natürliches Kind dieses Priesters.
Fünfzehn Monate nach seinem Erfolg in der Oper, der ihn zu früh ln eine Gesellschaft hineinwarf, in der der Abbé ihn erst sehen wollte, wenn er ihn durchaus gegen die Welt gewaffnet hätte, standen drei schöne Pferde in Luciens Stall, ein Coupé für den Abend, ein Kabriolett und ein Tilbury für den Vormittag. Er speiste in der Stadt. Herreras Ahnungen hatten sich erfüllt: ein Leben der Zerstreuungen hatte sich seines Schülers bemächtigt; aber er hatte es notwendig gefunden, der sinnlosen Liebe, die dieser junge Mann für Esther im Herzen bewahrte, Ablenkung zu verschaffen. Nachdem er etwa vierzigtausend Franken ausgegeben hatte, hatte jede Torheit Lucien nur um so lebhafter zu der Torpille zurückgeführt, die er hartnäckig suchte; und da er sie nicht fand, so wurde sie für ihn das, was das Wild für den Jäger ist. Konnte Herrera wissen, welcher Art die Liebe eines Dichters ist? Hat sich einem dieser großen kleinen Leute diese Empfindung einmal in den Kopf gesetzt, wie sie das Herz versengt und die Sinne durchdrungen hat, so wird der Dichter der Menschheit ebensosehr durch seine Liebe überlegen, wie er es durch die Macht seiner Phantasie ist. Da er einer Laune der intellektuellen Zeugung die seltene Fähigkeit verdankt, die Natur durch Bilder auszudrücken, denen er zugleich Empfindung und Gedanken aufprägt, leiht er seiner Liebe die Flügel seines Geistes; er empfindet und er malt, er handelt und denkt, er vervielfältigt seine Empfindungen durch sein Denken, er verdreifacht die gegenwärtige Seligkeit durch das Sehnen nach der Zukunft und die Erinnerungen der Vergangenheit; er eint ihnen die erlesenen Genüsse der Seele, die ihn zum Fürsten unter den Künstlern machen. Die Leidenschaft eines Dichters wird dann zu einem großen Gedicht, das oft über menschliche Proportionen hinausgeht. Stellt nicht der Dichter seine Geliebte auf ein viel höheres Piedestal, als es die Frauen bewohnen wollen? Er verwandelt wie der wunderbare Ritter aus der Mancha ein Mädchen der Felder in eine Prinzessin. Er macht für sich selbst Gebrauch von dem Zauberstab, mit dem er alles berührt, um es wunderbar zu machen, und so erhöht er auch die Wollust durch die anbetungswürdige Welt des Idealen. Daher ist seine Liebe ein Musterbild der Leidenschaft: sie ist ausschweifend in allem, in ihren Hoffnungen, in ihrer Verzweiflung, in ihrem Zorn, ihrer Melancholie und ihren Freuden,» sie fliegt, sie springt, sie kriecht, sie gleicht keiner der Erregungen, die der Durchschnitt der Menschen empfindet; sie ist im
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