Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)
seiner Eitelkeit aufopfern. Sie sind reich, es handelt sich wahrscheinlich um Ihr letztes Glück, also seien Sie freigebig. Sie werden durch die Kammerfrau ans Ziel gelangen. Geben Sie der Zofe etwa zehntausend Franken, so wird sie Sie in dem Schlafzimmer ihrer Herrin verstecken; und für Sie ist es das schon wert.«
Keine rhetorische Figur vermag die stoßweise, scharfe, apodiktische Redeweise Corentins zu malen; der Baron bemerkte sie, und er verriet Erstaunen; sein regungsloses Gesicht zeigte einen Ausdruck, den er ihm seit langem verwehrt hatte.
»Ich komme, um Sie für meinen Freund Peyrade um fünftausend Franken zu bitten; er hat einen Ihrer Scheine fallen lassen ... ein kleiner Unfall,« fuhr Corentin im schönsten Befehlston fort. »Peyrade kennt sein Paris zu genau, um Anzeigekosten auf sich zu nehmen, und er hat auf Sie gezählt. Aber das ist nicht das Wichtigste,« sagte Corentin, indem er sich auf eine Art verbesserte, die der Geldforderung jede Bedeutung nahm. »Wenn Sie nicht auf Ihre alten Tage Kummer haben wollen, so verschaffen Sie Peyrade die Stellung, um die er Sie gebeten hat, und Sie können sie ihm leicht verschaffen. Der Generalpolizeidirektor des Königreichs wird gestern einen Bericht über diesen Gegenstand erhalten haben. Es handelt sich nur darum, daß Gondreville mit dem Polizeipräfekten darüber spricht. Nun, sagen Sie Malin, dem Grafen von Gondreville, es handle sich darum, einen von denen zu verpflichten, die ihn der Herren von Simeuse entledigt haben, so wird er sich regen.« »Ta, main Herr,« sagte der Baron, indem er fünf Tausendfrankenscheine nahm und Corentin hinreichte.
»Die Kammerfrau hat einen großen Jäger namens Paccard zum guten Freund. Er wohnt in der Rue de Provence bei einem Stellmacher, und er vermietet sich als Jäger an alle, die wie die Fürsten auftreten. Den Weg zu der Kammerfrau der Frau van Bogseck finden Sie durch Paccard, einen großen Piemonteser Schlingel, der den Wermut herzlich liebt.«
Offenbar war diese elegant als Postskriptum hingeworfene Auskunft die Quittung für die fünftausend Franken. Der Baron suchte zu erraten, welcher Rasse Corentin angehörte; seine Intelligenz sagte ihm, daß er in ihm eher einen Spionagedirektor vor sich hatte als einen Spion; aber Corentin blieb für ihn das, was für einen Archäologen eine Inschrift ist, an der mindestens drei Viertel der Buchstaben fehlen.
»Wie haißt die Gammerfrau?« fragte er. »Eugenie,« erwiderte Corentin, der den Baron grüßte und hinausging.
Der Baron von Nucingen verließ im Überschwang seiner Freude seine Geschäfte, seine Bureaus und stieg in dem glücklichen Fieber eines jungen Mannes von zwanzig Jahren, der in Gedanken ein erstes Stelldichein mit einer ersten Geliebten vorkostet, in seine Wohnung hinauf. Der Baron nahm alle Tausendfrankenscheine aus seiner Privatkasse, eine Summe, mit der er ein Dorf hätte glücklich machen können: fünfundfünfzigtausend Franken! Und er steckte sie in die Rocktasche. Denn die Verschwendung der Millionäre läßt sich nur mit ihrer Gewinngier vergleichen. Sowie es sich um eine Laune, eine Leidenschaft handelt, ist das Geld für einen Krösus nichts mehr. Es wird ihnen freilich auch schwerer, Launen zu finden, als Gold. Ein Genuß ist die größte Seltenheit ihres gesättigten Lebens, das voll ist von jenen Erregungen, wie die großen Anschläge der Spekulation sie geben, während doch diese trockenen Herzen gegen sie abgestumpft sind. Beispiel: Einer der reichsten Pariser Kapitalisten, der übrigens wegen seiner Wunderlichkeiten bekannt ist, begegnet eines Tages auf den Boulevards einer äußerst hübschen kleinen Arbeiterin. In Begleitung ihrer Mutter ging diese Grisette am Arm eines jungen Mannes von ziemlich zweifelhafter Kleidung und mit stutzerhaft wiegenden Hüften dahin. Auf den ersten Blick verliebt der Millionär sich in diese Pariserin; er folgt ihr bis in ihr Haus und tritt ein; er läßt sich ihr Leben erzählen, das gemischt ist aus Bällen bei Mabille, aus brotlosen Tagen, Theaterbesuchen und Arbeit. Er interessiert sich dafür und läßt unter einem Fünffrankenstück fünf Tausendfrankenscheine zurück: eine Großmut, die einen Schimpf in sich trägt. Am folgenden Tage kommt Braschon, ein berühmter Dekorateur, um die Befehle der Grisette entgegenzunehmen; er möbliert eine Wohnung, die sie selbst aussucht, und gibt dabei etwa zwanzigtausend Franken aus. Die Arbeiterin gibt sich phantastischen Hoffnungen hin: sie kleidet ihre
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