Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)
erklangen.
»Ich hab umfickelt die Klocken, aber haben Se kaine Ankst, ich kehe,« sagte er. »Ta sind treißigtausend Franken ins Wasser geworfen. Sie sind die Keliepte des Herrn von Ripembré?« »Ein wenig, lieber Neffe,« sagte die Engländerin, die geläufig Französisch sprach. »Aber wer pist du?« fragte sie, indem sie Nucingens Sprechweise nachahmte. »Ain Mensch, der schön herainkefallen ist!« sagte er jämmerlich. »Ist man herainkefallen, wenn man aine hibsche Frau hat?« fragte sie scherzend. »Erlauben Se mir, daß ich Ihnen schicke ainen Schmuck, als Antenken an den Paron von Nischinguen.« »Kenn ich nicht,« sagte sie, indem sie lachte wie eine Wahnsinnige; »aber der Schmuck soll wohl aufgenommen sein, mein dicker Einschleicher.« »Sie werden ihn lernen kennen! Atiee, knädige Frau. Sie sind ein Gönigsbissen; aber ich bin nur ein armer Bangier von ieber sechzig Jahren, und Sie haben mir geßaigt, wieviel Macht die Frau hat, die ich liebe; denn Ihre iebermenschliche Schönheit hat sie nicht in Verkessenheit kepracht...« »Ai, das ist hibsch, was Sie mir da sagen,« erwiderte die Engländerin. »Nicht so hibsch wie die, die es mir einkiebt...« »Sie sprachen von treißigtausend Franken ... Wem haben Sie die kekeben?« »Ihrer Gammerfrau, der Halungin! ...«
Die Engländerin rief; Europa war nicht fern. »Oh!« rief Europa aus, »ein Mann im Schlafzimmer der gnädigen Frau, und nicht der gnädige Herr!... Was für ein Greuel!« »Hat er dir dreißigtausend Franken gegeben, damit du ihn einließest?« »Nein, gnädige Frau, denn soviel sind wir beide zusammen nicht wert...«
Und Europa begann so energisch um Hilfe zu rufen, daß der erschreckte Bankier zur Tür eilte, von wo aus Europa ihn die Treppe hinunterstieß... »Dicker Halunke!« rief sie ihm nach, »Sie denunzieren mich bei meiner Herrin!... Diebe! Diebe!«
Der verliebte Baron war verzweifelt, aber er konnte unverletzt seinen Wagen erreichen, der auf dem Boulevard wartete, doch wußte er jetzt nicht mehr, welchem Spion er sich anvertrauen sollte.
»Wollte die gnädige Frau mir etwa meine Verdienste nehmen«? sagte Europa, als sie wie eine Furie zu der Engländerin zurückkehrte. »Ich kenne die französischen Sitten nicht,« erwiderte die. »Aber ich brauche dem gnädigen Herrn nur ein Wort zu sagen, so werden Sie morgen vor die Tür gesetzt,« sagte Europa unverschämt.
»Die vertammte Gammerfrau«, sagte der Baron zu Georg, der seinen Herrn natürlich fragte, ob er zufrieden sei, »hat mich um treißigtausend Franken kebrellt ... Aber es ist maine eikene Schuld, maine kroße Schuld!« »Also hat dem gnädigen Herrn seine Toilette nichts genützt? Teufel, ich rate dem gnädigen Herrn nicht, seine Pastillen für nichts und wieder nichts zu nehmen ...« »Schorsch, ich komme um vor Verßweiflung ... Mich friert ... Ich hab Aiß ums Herz ... Kaine Esder, main Freind!« Georg war in allen großen Angelegenheiten der Freund seines Herrn.
Zwei Tage nach dieser Szene, die die junge Europa viel amüsanter spielte, als man sie erzählen kann, denn sie fügte ihre Mimik hinzu, frühstückte Carlos mit Lucien unter vier Augen.
»Weder die Polizei, mein Kleiner, noch irgend jemand sonst darf die Nase in unsere Angelegenheiten stecken,« sagte er leise, während er sich eine Zigarre an der Luciens anzündete, »Das bekommt nicht gut. Ich habe ein verwegenes, aber unfehlbares Mittel gefunden, um unsern Baron und seine Agenten zur Ruhe zu bringen. Du wirst zu Frau von Sérizy gehen und wirst sehr artig gegen sie sein. Du wirst ihr in der Unterhaltung sagen, daß du Herrn von Rastignac, um ihm gefällig zu sein, da er von Frau von Nucingen seit langem genug hat, als Deckmantel dienst, um eine Geliebte zu verbergen. Herr von Nucingen sei nun sterblich in die Frau verliebt, die Rastignac versteckt – darüber wird sie lachen müssen –, und er hat es sich einfallen lassen, dir durch die Polizei nachzuspionieren, dir, der du völlig unschuldig bist an den Ausschweifungen deines Landsmannes, und dessen Interessen bei den Grandlieus gefährdet werden könnten. Du wirst die Gräfin bitten, dir bei einem Gang auf die Polizeipräfektur die Stütze ihres Gatten zu verschaffen, der Staatsminister ist. Bist du einmal dort und stehst vor dem Herrn Präfekten, so beklage dich, aber wie ein Politiker, der bald in die ungeheure Staatsmaschine eintreten wird, um einer ihrer wichtigsten Kolben zu werden. Als Staatsmann wirst du die Polizei verstehen, und du
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