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Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)

Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)

Titel: Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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kebe, so verlieren Se nix.« »Meiner Treu, wenn Sie es so nehmen, Dickchen,« sagte Europa, »so ändert das die Sache sehr. Wo sind sie?« »Ta,« erwiderte der Baron, indem er die Banknoten einzeln hinzählte.
    Er beachtete jeden Blitz, den jeder Schein aus Europas Augen lockte und der die Gier verriet, auf die er wartete. »Sie bezahlen die Stellung; aber die Ehrlichkeit und das Gewissen? ...« sagte Europa, indem sie ihr verschlagenes Gesicht hob und dem Baron einen Seria-buffa-Blick zuwarf. »Das Kewissen ist nicht wert, was ist wert die Schdellung; aber sagen wir noch finftausend Franken«; und er fügte fünf weitere Tausendfrankenscheine hinzu, »Nein, zwanzigtausend Franken für das Gewissen und fünftausend für die Stellung, wenn ich sie verliere ...« »Wie Se wollen,« sagte er. »Aber um se szu vertienen, missen Se mich verstecken im Schlafzimmer Ihrer Herrin, nachts, wenn se ist allain ...« »Wenn Sie mir versichern wollen, niemals zu sagen, wer Sie eingelassen hat, bin ich bereit. Aber ich warne Sie: die gnädige Frau ist stark wie ein Türke, sie liebt Herrn von Rubempré wie eine Wahnsinnige; und wenn Sie ihr auch eine Million in Banknoten geben, so würde sie doch keine Untreue begehen! ... Es ist dumm, aber sie ist nun einmal so, wenn sie liebt; sie ist schlimmer als eine anständige Frau. Wenn sie mit dem gnädigen Herrn in die Wälder fährt, so bleibt der gnädige Herr nachher selten zu Hause; sie ist heute abend mit ihm ausgefahren, ich kann Sie also in meinem Zimmer verstecken. Wenn die gnädige Frau allein zurückkommt, so werde ich Sie holen; Sie werden in den Salon gehen, ich will die Schlafzimmertür nicht verschließen, und der Rest ... wahrhaftig, der Rest ist Ihre Sache ... Bereiten Sie sich vor!«
    »Ich werde dir keben die finfundßwanzigtausend Franken im Salon ... par, par.« »Ah!« sagte Europa, »mißtrauischer sind Sie nicht? ... Entschuldigen Sie ...« »Du wirst oft haben Kelegenheit, mich zu rupfen ... Wir werden schließen Peganntschaft.« »Gut, seien Sie um Mitternacht in der Rue Taitbout; aber dann stecken Sie dreißigtausend Franken zu sich. Die Ehrlichkeit einer Kammerfrau ist, wie die Droschken, nach Mitternacht bedeutend teurer.« »Aus Vorsicht werde ich dir keben ainen Scheck auf die Pank ...« »Nein, nein,« sagte Europa, »Banknoten, oder es gibt nichts ...«
    Um ein Uhr morgens war der Baron von Nucingen, den Europa in der Mansarde, wo sie schlief, versteckt hatte, allen Ängsten eines Mannes auf der Verfolgung galanter Abenteuer unterworfen. Er bebte, sein Blut schien ihm in den Zähnen zu kochen, und der Kopf war bereit, wie eine überheizte Dampfmaschine zu bersten. »Ich hatte moralisch fier mehr als hunderttausend Taler Kenüsse,« sagte er zu du Tillet, als er ihm dieses Abenteuer erzählte.
    Er hörte die geringsten Geräusche der Straße, und um zwei Uhr vernahm er den Wagen seiner Geliebten schon vom Boulevard her. Als sich das große Tor in den Angeln drehte, pochte ihm das Herz so stark, daß es die Seide der Weste hob: er sollte also Esthers himmlisches, glühendes Gesicht wiedersehen!... Bis ins Herz hinein spürte er das Knirschen des Wagentritts und das Schlagen der Tür. Die Erwartung des höchsten Augenblicks regte ihn mehr auf, als wenn es sich um den Verlust seines Vermögens gehandelt hätte. »Ah!« rief er, »das haißt Leben! Ssu sehr sokar; ich werde sain imstand zu nix!«
    »Die gnädige Frau ist allein, kommen Sie hinunter,« sagte Europa, die sich plötzlich zeigte, »machen Sie kein Geräusch, Sie dicker Elefant!« »Dicker Elewant!« wiederholte er lachend, indem er dahinging wie auf rotglühenden Eisenstangen. Europa führte ihn, einen Leuchter in der Hand.
    »Ta, ßähl nach,« sagte der Baron, indem er Europa die Banknoten hinhielt, sowie sie im Salon waren. Europa nahm mit ernstem Gesicht die dreißig Scheine entgegen und ging hinaus, indem sie den Bankier einschloß.
    Nucingen ging sofort zum Schlafzimmer, in dem er die schöne Engländerin fand, die zu ihm sagte: »Bist du es, Lucien?« »Nain, schönes Gind...« rief Nucingen, der seinen Satz nicht beendete.
    Er blieb erstarrt stehen, als er eine Frau erblickte, die das gerade Gegenteil von Esther war: blond, wo er schwarz gesehen hatte/ Schwäche, wo er Kraft bewunderte; eine liebliche britische Nacht, wo Arabiens Sonne gefunkelt hatte.
    »Ah! woher kommen Sie?... Wer sind Sie?... Was wollen Sie?...« sagte die Engländerin, indem sie schellte, ohne daß die Glocken

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