Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)
des Palais Royal eine Börse falscher Werte, wo man eine Unterschrift für drei Franken erhält.
Ehe Carlos die Frage dieser hunderttausend Taler anschnitt, die an der Tür des Schlafzimmers Posten stehen sollten, nahm er sich vor, Herrn von Nucingen zunächst weitere hunderttausend Franken zahlen zu lassen. Die Art und Weise war diese.
Auf seinen Befehl gab Asien sich dem verliebten Baron gegenüber als alte Frau aus, die in den Angelegenheiten der schönen Unbekannten auf dem laufenden war. Bisher haben die Sittenschilderer zwar viele Wucherer auf die Szene gebracht; aber man hat die Wucherin, die heutige Kleiderhändlerin, vergessen, eine höchst merkwürdige Persönlichkeit, die die wilde Asien spielen konnte, denn sie besaß zwei Geschäfte, eins auf dem Trödelmarkt, das andere in der Rue Neuve Saint-Marc, die beide von ihr ergebenen Frauen geleitet wurden. »Du wirst dich wieder in die Haut der Frau von Saint-Estève stecken,« sagte Herrera zu ihr. Er wollte Asien in ihrem Kostüm sehen.
Die falsche Vermittlerin kam in einem Kleid aus geblümtem Damast, der von den Vorhängen irgendeines gepfändeten Boudoirs stammte, und mit einem jener altmodischen, abgenutzten, unverkäuflichen Kaschmirschals, die ihr Leben auf dem Rücken solcher Frauen beschließen. Sie trug eine Krause aus prachtvollen, aber gänzlich zerrissenen Spitzen und einen scheußlichen Hut; aber sie hatte Schuhe aus irischem Leder an den Füßen, über deren Rand ihr Fleisch den Eindruck eines Polsters aus durchbrochener schwarzer Seide machte. »Und die Schnalle meines Gürtels!« sagte sie, indem sie eine verdächtige Goldschmiedearbeit zeigte, die ihr Köchinnenbauch vordrängte. »He? Was für eine Arbeit! Und mein Umfang ... wie mich der verhäßlicht! Oh, Frau Nourrisson hat mich famos angezogen!«
»Sei zunächst honigsüß,« sagte Carlos zu ihr, »fast furchtsam, mißtrauisch wie eine Katze; und vor allem muß der Baron darüber erröten, daß er die Polizei benutzt hat, ohne daß es aussehen darf, als hättest du vor den Agenten zu zittern. Kurz, gib dem Kunden in mehr oder minder klaren Worten zu verstehen, daß du jede Polizei der Welt herausforderst, in Erfahrung zu bringen, wo sich die Schöne befindet. Verbirg deine Spuren gut ... Wenn der Baron dir das Recht gegeben hat, ihn auf den Bauch zu klopfen und ihn ›Dicker Wüstling‹ zu nennen, so werde unverschämt und laß ihn wie einen Lakaien abfahren.«
Da man Nucingen gedroht hatte, er werde die Vermittlerin nicht wiedersehen, wenn er sich einfallen ließe, ihr im geringsten nachzuspionieren, besuchte er Asien, indem er zu Fuß zur Börse ging, geheimnisvoll in einem elenden Zwischenstock der Rue Neuve Saint-Marc. Wie oft verliebte Millionäre diese kotigen Gassen gestreift haben und mit welcher Wonne, das wissen die Master von Paris. Frau von Saint-Estève brachte den Baron, indem sie Hoffnung mit Verzweiflung abwechseln ließ, so weit, daß er ›um jeden Preis‹ über alles, was die Unbekannte anging, aufgeklärt werden wollte.
Währenddessen arbeitete der Gerichtsvollzieher; und er arbeitete um so besser, als er bei Esther keinerlei Widerstand fand und also innerhalb der gesetzlichen Fristen vorgehen konnte, ohne vierundzwanzig Stunden zu verlieren.
Lucien besuchte nach der Anweisung seines Ratgebers die Einsiedlerin fünf- oder sechsmal in Saint-Germain. Der wilde Anstifter all dieser Ränke hatte diese Zusammenkünfte für notwendig gehalten, damit Esther nicht verfiel; denn ihre Schönheit war jetzt zum Kapital geworden. Als sie das Haus des Wildhüters verlassen sollte, führte Carlos Lucien und die arme Kurtisane am Rande eines verlassenen Weges an eine Stelle, von der aus man Paris sah, wo aber niemand sie hören konnte. Sie setzten sich alle drei unter der aufgehenden Sonne auf den Stamm einer gefällten Pappel und vor diese Landschaft, die eine der großartigsten der Welt ist und den Lauf der Seine, Montmartre, Paris und Saint-Denis umfaßt.
»Meine Kinder,« sagte Carlos, »euer Traum ist zu Ende, Du, meine Kleine, wirst Lucien nie wiedersehen; oder wenn du ihn wiedersiehst, so mußt du ihn vor fünf Jahren nicht länger als ein paar Tage gekannt haben.« »So ist also mein Schicksal gekommen!« sagte sie, ohne eine Träne zu vergießen. »Also! Jetzt bist du seit fünf Jahren krank,« fuhr Herrera fort. »Denke, du seiest schwindsüchtig, und stirb, ohne uns mit deinen Elegien zu langweilen. Aber du sollst sehen, daß du noch leben kannst, und sehr gut
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