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Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)

Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)

Titel: Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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verraten hatte, wer hatte dann ein Interesse daran gehabt, den Polizeipräfekten aufzusuchen? Es handelte sich für Corentin darum, zu erfahren, ob er nicht falsche Brüder unter seinen Leuten hatte. Als er zu Bett ging, sagte er bei sich selber, was auch Peyrade sich überlegte: ›Wer ist nur zum Präfekten gegangen, um sich zu beklagen? ... Wem gehört diese Frau?‹
    So kamen sich, ohne daß die einen etwas von den andern wußten, Jakob Collin, Peyrade und Corentin unbemerkt immer näher; und die arme Esther, Nucingen und Lucien mußten notwendig in den schon begonnenen Kampf, den die Eigenliebe, die alle Leute von der Polizei auszeichnet, furchtbar machen sollte, mit hineingezogen werden.
    Dank der Gewandtheit Europas konnte der bedrohlichste Teil der sechzigtausend Franken Schulden, die auf Esther und Lucien lasteten, getilgt werden. Das Vertrauen der Gläubiger wurde nicht einmal erschüttert. Lucien und sein Verführer konnten einen Augenblick aufatmen. Wie zwei verfolgte wilde Tiere, die am Rande irgendeines Sumpfes ein wenig Wasser schlecken, konnten sie weiter an den Abgründen hinziehen, an denen entlang der Starke den Schwachen zum Galgen oder zum Glück leitete. »Heute«, sagte Carlos zu seinem Geschöpf, »spielen wir für alles um alles; aber zum Glück sind die Karten gestichelt, und die Gegner sind sehr jung!«
    Während einiger Zeit bemühte Lucien sich auf Befehl seines furchtbaren Mentors emsig um Frau von Sérizy. Wirklich durfte Lucien nicht in den Verdacht kommen, daß er ein ausgehaltenes Mädchen zur Geliebten hatte. Er fand übrigens in dem Vergnügen, geliebt zu werden, in dem Schwung des gesellschaftlichen Lebens die Scheinkraft, sich zu betäuben. Er gehorchte Fräulein Klotilde von Grandlieu und sah sie nur noch im Bois und auf den Champs Elysées.
    Einen Tag später, nachdem Esther im Hause des Wildhüters eingeschlossen worden war, kam das für sie rätselhafte und furchtbare Wesen, das ihr auf dem Herzen lastete, und verlangte, daß sie drei gestempelte Papiere unterschrieb, auf denen folgende Folterworte standen; auf dem ersten: ›Akzeptiert für sechzigtausend Franken‹; auf dem zweiten: ›Akzeptiert für einhundertundzwanzigtausend Franken‹; auf dem dritten: ›Akzeptiert für einhundertundzwanzigtausend Franken«. Im ganzen waren es für dreimalhunderttausend Franken Akzepte. Wenn man schreibt: ›Gut für‹, so stellt man eine einfache Anweisung aus. Das Wort ›Akzeptiert‹ macht den Wechsel aus und unterwirft einen der Schuldhaft. Dieses Wort bedroht den, der es unvorsichtig hinschreibt, mit fünf Jahren Gefängnis, einer Strafe, die das Zuchtpolizeigericht fast niemals auferlegt und die das Kriminalgericht nur über Verbrecher verhängt. Das Gesetz über die Schuldhaft ist ein Rest der barbarischen Zeiten, der mit seiner Borniertheit das seltene Verdienst verbindet, daß er nutzlos ist, weil er die Schelme niemals trifft (siehe »Verlorene Illusionen«).
    »Es handelt sich«, sagte der Spanier zu Esther, »darum, Lucien aus der Verlegenheit zu ziehen. Wir haben sechzigtausend Franken Schulden, und mit diesen dreihunderttausend Franken kommen wir vielleicht aus.«
    Carlos datierte die Wechselbriefe um sechs Monate zurück und ließ sie auf Esther ziehen, und zwar durch einen »von der Zuchtpolizei verkannten Menschen«, dessen Abenteuer trotz des Aufsehens, das sie erregten, bald vergessen wurden und versanken, zugedeckt von dem Lärm der großen Julisymphonie von 1830.
    Dieser junge Mann, einer der verwegensten Industrieritter, der Sohn eines Gerichtsvollziehers in Boulogne bei Paris, heißt Georg Maria Destourny. Der Vater, der sich gezwungen sah, seine Stellung unter wenig gedeihlichen Umständen zu verkaufen, ließ seinen Sohn um 1824 ohne alle Mittel zurück, nachdem er ihm jene glänzende Erziehung gegeben hatte, auf die die kleinen Bürger für ihre Kinder versessen sind. Mit dreiundzwanzig Jahren hatte der junge, glänzende Student der Rechte seinen Vater bereits verleugnet, indem er seinen Namen auf der Visitenkarte also schrieb: »Georg d'Estourny«. Diese Karte gab seiner Persönlichkeit einen Hauch von Aristokratie. Der elegante junge Mann war verwegen genug, sich einen Tilbury und einen Groom zu halten und die Klubs zu besuchen. Ein Wort wird alles erklären: er spielte an der Börse mit dem Gelde der ausgehaltenen Frauen, deren Vertrauter er war. Schließlich unterlag er vor dem Zuchtpolizeigericht, wo man ihn beschuldigte, sich allzu glücklicher Karten

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