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Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)

Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)

Titel: Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Juvenals in den Amtshänden des Taxators streut enthaarte Muffs, verdorbene Pelze bedrängter Dirnen aus. Es ist ein verwesender Hauf Blumen, in dem hier und dort gestern geschnittene Rosen glänzen, die einen Tag getragen wurden, und auf dem stets eine Alte hockt, die leibliche Schwester des Wuchers, die kahle, zahnlose Gelegenheit, bereit, auch den Inhalt zu verkaufen, weil sie so sehr daran gewöhnt ist, die Hülle zu kaufen: das Kleid ohne die Frau oder die Frau ohne das Kleid! Asien schaltete dort wie der Stockmeister im Bagno, wie ein Geier mit gerötetem Schnabel über Leichen, mitten in ihrem Element, furchtbarer noch als diese wilden Greuel, vor denen die Vorübergehenden erbeben, wenn sie zuweilen mit Erstaunen eine ihrer jüngsten, frischesten Erinnerungen in einem schmutzigen Schaufenster erkennen, hinter dem eine echte Saint-Estève Grimassen schneidet.
    Von Aufregung zu Aufregung, von zehntausend zu zehntausend Franken war schließlich der Bankier so weit gekommen, daß er Frau von Saint-Estève sechzigtausend Franken bot; sie aber erwiderte mit einer Grimasse des Neins, die einen Makako zur Verzweiflung getrieben hätte. Nachdem er erkannt hatte, wie Esther ihm die Gedanken verwirrte, nachdem er unerwartete Verdienste an der Börse hatte einstreichen können, kam er eines Morgens nach einer aufgeregten Nacht endlich in der Absicht, die hunderttausend Franken, die Asien verlangte, herzugeben, aber er wollte ihr eine Fülle von Auskünften entlocken.
    »Du entschließt dich also, dicker Possenreißer?« sagte Asien, indem sie ihm auf die Schulter klopfte.
    Die entehrendste Vertraulichkeit ist der erste Zoll, den solche Frauen von wahnsinnigen Leidenschaften oder von dem Elend, das sich ihnen anvertraut, fordern; sie erheben sich nie zur Höhe des Klienten, sie nötigen ihn, sich Seite an Seite neben sie auf den Kothaufen zu setzen. Asien gehorchte ihrem Herrn ausgezeichnet, wie man sieht.
    »Ich muß fohl,« sagte Nucingen. »Und du wirst nicht bestohlen,« erwiderte Asien. »Man hat Frauen schon verhältnismäßig teurer verkauft, als du die da bezahlen sollst! De Marsay hat für die verstorbene Coralie sechzigtausend Franken gegeben. Die, die du willst, hat aus erster Hand hunderttausend gekostet; aber für dich, siehst du, alter Wüstling, ist es eine Anstandssache.« »Und wo ist sie?« »Ah! du wirst sie sehen. Ich bin, wie du bist: bar, bar! ... Ach ja, mein Lieber, ›deine Leidenschaft‹ hat Dummheiten gemacht. Junge Mädchen ... das ist unvernünftig. Die Prinzessin ist augenblicklich eine Nachtschöne ...« »Aine Nacht-« »Was! Willst du den Gimpel spielen? ... Sie hat Louchard auf den Fersen; ich habe ihr selbst fünfzigtausend Franken geliehen ...« »Finfundßwanßig! Sag?« rief der Bankier. »Bei Gott! Fünfundzwanzig für fünfzig, das versteht sich von selbst,« erwiderte Asien. »Diese Frau, man muß gerecht sein, ist die Ehrlichkeit selbst! Sie hatte nur noch ihren Leib, und sie sagte: ›Liebe kleine Frau Saint-Estève, ich werde verfolgt, nur Sie können mich verpflichten, geben Sie mir zwanzigtausend Franken, ich gebe Ihnen eine Hypothek auf mein Herz ...‹ Oh, sie hat ein hübsches Herz! Außer mir weiß niemand, wo sie ist. Ein unvorsichtiges Wort würde mich meine zwanzigtausend Franken kosten ... Früher wohnte sie in der Rue Taitbout. Ehe sie auszog – ihr Mobiliar war gepfändet worden ... von wegen der Kosten ... Diese Lumpen von Gerichtsvollziehern! – nun also, nicht dumm, vermietete sie ihre Wohnung auf zwei Monate einer Engländerin, einem prachtvollen Weib, die diesen kleinen ... den Rubempré, zum Liebhaber hatte; der war so eifersüchtig, daß er sie nur nachts ausfahren ließ. Aber da man das Mobiliar verkaufen will, so hat sich die Engländerin aus dem Staube gemacht, um so mehr, als sie für einen Knirps wie Lucien zu teuer war.« »Sie treiben kute Keschäfte,« sagte Nucingen. »In Naturalien,« sagte Asien. »Ich borge hübschen Frauen; das lohnt sich, denn man diskontiert zwei Werte zugleich.«
    Asien amüsierte sich damit, die Rolle dieser Frauen zu ›chargieren‹; sie sind herb, aber schweifwedelnder, sanfter als die Malaiin, und sie rechtfertigen ihr Gewerbe mit Reden voll schöner Motive. Asien posierte als eine Frau, die all ihre Illusionen, fünf Liebhaber und ihre Kinder verloren hat und sich trotz all ihrer Erfahrung von jedermann ›bestehlen‹ läßt. Sie zeigte von Zeit zu Zeit Pfandscheine vor, um zu beweisen, wieviel schlimme Zufälle ihr

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