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Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)

Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)

Titel: Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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überreichen, sie beläuft sich auf dreißigtausend Franken, und es sind Anzahlungen darauf geleistet; aber Biddin, unser Goldschmied, hat Kosten gehabt. Unser Mobiliar, das er hat pfänden lassen, wird ohne Zweifel morgen ausgeboten werden. Suche Biddin auf; er wohnt in der Rue de l'Arbre-Sec; er wird dir für zehntausend Franken Pfandscheine geben. Du verstehst: Esther hat sich Silbergeschirr machen lassen, sie hat es nicht bezahlt und hat es versetzt; wir werden sie mit einer kleinen Klage wegen Betrugs bedrohen. Der Goldschmied bekommt also dreißigtausend Franken und zehntausend das Leihamt, damit wir das Silber wiederbekommen. Summa: dreiundvierzigtausend Franken mit den Kosten. Dieses Silbergeschirr ist von schlechter Legierung, der Baron wird es erneuern, wir werden ihm da wieder ein paar Tausendfrankenscheine mausen. Ihr schuldet der Schneiderin für zwei Jahre ... wieviel?« »Wir schulden ihr vielleicht sechstausend Franken,« erwiderte Europa. »Gut; wenn Frau Auguste bezahlt werden und sich die Kundschaft erhalten will, so wird sie für vier Jahre eine Rechnung über dreißigtausend Franken ausstellen. Der gleiche Handel mit der Modistin. Der Juwelier Samuel Frisch, der Jude in der Rue Sainte-Avoie, wird dir Pfandscheine leihen; wir müssen ihm fünfundzwanzigtausend Franken schulden, und wir werden für sechstausend Franken von unserm Schmuck im Leihhaus haben. Wir werden den Schmuck dem Juwelier zurückgeben, die Hälfte der Steine muß falsch sein; daher wird der Baron sie nicht einmal ansehen. Kurz, du wirst dafür sorgen, daß unser Gegenspieler innerhalb von acht Tagen noch einmal hundertfünfzigtausend Franken ›speit‹.« »Die gnädige Frau wird mir ein wenig helfen müssen,« erwiderte Europa; »sprechen Sie mit ihr; denn sie steht da wie ein Klotz und zwingt mich, mehr Geist zu entfalten, als drei Autoren für ein Stück brauchen.« »Wenn Esther sich auf die Ziererei legen sollte, so wirst du mich benachrichtigen,« sagte Carlos. »Nucingen ist ihr einen Wagen und zwei Pferde schuldig; sie wird alles selbst wähle und kaufen wollen. Ihr werdet den Pferdehändler und Wagenmacher nehmen, bei dem Paccard wohnt. Dort werden wir wundervolle Pferde finden, die natürlich sehr teuer sind; und einen Monat darauf werden sie hinken, so daß wir sie wechseln müssen.« »Sechstausend Franken könnte man ihm mit Hilfe einer Rechnung des Parfumeurs ablocken,« sagte Europa. »Oh!« erwiderte Carlos kopfschüttelnd, »langsam! Von einer Konzession zur andern. Nucingen hat nur erst den Arm in die Maschine gesteckt: wir brauchen den Kopf. Abgesehen von all dem habe ich fünfhunderttausend Franken nötig.« »Die werden Sie bekommen können,« sagte Europa. »Die gnädige Frau müßte sich um die sechshunderttausend von dem dicken Dummkopf erweichen lassen; dann könnte sie vierhunderttausend dafür verlangen, wenn sie ihn herzlich lieben soll.« »Höre mich an, meine Tochter,« sagte Carlos. »An dem Tage, an dem ich die letzten hunderttausend Franken erhebe, fallen für dich zwanzigtausend Franken ab.« »Wozu sollten mir die dienen?« fragte Europa, indem sie wie ein Wesen, dem das Dasein unmöglich scheint, die Arme sinken ließ. »Du kannst nach Valenciennes zurückkehren, ein hübsches Geschäft kaufen und eine anständige Frau werden, wenn du es willst; auch das wäre ein guter Geschmack. Paccard denkt zuweilen daran; er hat nichts auf der Schulter und fast nichts auf dem Gewissen, ihr würdet zueinander passen,« sagte Carlos, »Nach Valenciennes zurückkehren! ... Können Sie das denken, gnädiger Herr?« rief Europa erschreckt aus.
    Europa war als Tochter sehr armer Weber, geboren zu Valenciennes, mit sieben Jahren in eine Spinnerei geschickt worden, und dort hatte die moderne Industrie ihre Körperkräfte mißbraucht, genau wie das Laster sie vor der Zeit verdorben hatte. Mit Zwölf Jahren verführt, mit dreizehn Mutter, so sah sie sich an tief entartete Wesen gefesselt. Aus Anlaß eines Mordes hatte sie als Zeugin vor dem Geschwornengericht erscheinen müssen. Der Schrecken, den die Rechtspflege einflößt, und ein Rest von Ehrlichkeit besiegten die Sechzehnjährige, und der Angeklagte wurde auf Grund ihres Zeugnisses zu zwanzig Jahren Zwangsarbeit verurteilt. Dieser Verbrecher, einer jener Rückfälligen, deren ganze Anlage zu furchtbarer Rache neigt, hatte vor dem versammelten Gerichtshof zu diesem Kind gesagt: ›In zehn Jahren, Prudentia, da komm ich wieder, als wäre es heute, um dich

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