Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)
Keld ist kanz auf der Pank ... Ssiehen Se sich an, main Engel,« sagte er zu Esther, »denn Sie sind frai. Die alten Frauen«, rief er, indem er Asien ansah, »sind kewährlicher als die jungen ...«
»Ich gehe, um den Gläubiger zum Lachen zu bringen,« sagte Asien zu ihm, »und er wird mir so viel geben, daß ich mich heute amüsieren kann. Ohne Groll, Herr Baron!« fügte die Saint-Estève hinzu, indem sie eine scheußliche Verbeugung machte ... Louchard nahm die Papiere wieder aus den Händen des Barons entgegen und blieb mit ihm allein im Salon zurück, wohin eine halbe Stunde darauf mit Contenson auch der Kassier kam. Esther erschien eben in einer entzückenden, wenn auch improvisierten Toilette. Als Louchard die Summen gezählt hatte, wollte der Baron die Papiere nochmals prüfen, aber Esther ergriff sie mit der Geste einer Katze und trug sie in ihren Sekretär.
»Was geben Sie für das Gesindel?« fragte Contenson Nucingen. »Sie haben nicht kenommen viel Rücksicht,« sagte der Baron. »Und mein Bein! ...« rief Contenson. »Lichart, Sie werden keben hündert Franken an Gondanzon von dem Rest des Tausendfrankenschains ...«
»Das ist aine ßehr hipsche Frau!« sagte der Kassier zu dem Baron, als sie die Rue Taitbout verließen, »aber sie gömmt den Herrn Paron recht teier.« »Pewahren Se mir Kehaimnis,« sagte der Baron, der auch Contenson und Louchard um Schweigen gebeten hatte.
Louchard ging davon, und ihm folgte Contenson; aber auf dem Boulevard hielt Asien, die auf ihn wartete, den Exekutor zurück. »Der Gerichtsvollzieher und der Gläubiger sitzen da in einem Fiaker, sie haben Durst,« sagte sie, »und da ist was zu verdienen.«
Während Louchard die Scheine hinzählte, konnte Contenson die Kunden prüfen. Er sah Herreras Augen, erkannte die Form der Stirn unter der Perücke, und die Perücke erschien ihm mit Recht verdächtig; er merkte sich die Nummer des Fiakers, obwohl er allem, was vorging, ganz gleichgültig gegenüberzustehen schien; Asien und Europa machten ihm außerordentlich viel zu schaffen. Er sagte sich, daß der Baron das Opfer äußerst geschickter Leute sei, und zwar um so mehr, da Louchard von merkwürdiger Verschwiegenheit gewesen war, als er seine Dienste erbat. Europas Beinhieb hatte Contenson übrigens nicht nur am Schienbein getroffen. ›Das ist ein Hieb, der nach Saint-Lazare [Fußnote: Frauengefängnis in Paris.] schmeckt!‹ hatte er bei sich selbst gesagt, als er wieder aufstand.
Carlos schickte den Gerichtsvollzieher fort, nachdem er ihn freigebig bezahlt hatte, und sagte, während er zahlte, zum Kutscher: »Palais Royal, Freitreppe.«
›Ah, der Schlaukopf!‹ sagte Contenson bei sich, als er die Adresse hörte, ›da gibt es etwas! ...‹
Carlos kam in solcher Fahrt zum Palais Royal, das; er keine Verfolgung zu fürchten hatte. Übrigens eilte er dort auf seine Art durch die Galerien, nahm auf der Place Château d'Eau einen zweiten Fiaker und rief dem Kutscher zu: »Opernpassage, auf der Seite der Rue Pinon.«
Eine Viertelstunde darauf trat er in die Rue Taitbout ein. Als Esther ihn sah, sagte sie: »Hier sind die gefährlichen Papiere!« Carlos nahm sie, sah sie durch und ging hinaus, um sie am Küchenfeuer zu verbrennen.
»Der Streich ist gespielt!« rief er, indem er die dreihunderttausend Franken zeigte, die er, in ein Bündel gerollt, aus der Tasche seines Überrocks zog. »Das und die hunderttausend Franken, die Asien erwischt hat, damit können wir handeln.« »Mein Gott! Mein Gott!« rief die arme Esther. »Aber, du Dummkopf!« sagte der wilde Rechner, »sei zum Schein Nucingens Geliebte, und du wirst Lucien sehen können; er ist Nucingens Freund; ich verbiete dir nicht, eine Leidenschaft für ihn zu hegen!«
Esther sah eine schwache Helle in ihrem düstern Leben; sie atmete auf.
»Europa, meine Tochter,« sagte Carlos, indem er dieses Geschöpf in einen Winkel des Boudoirs führte, wo niemand ein Wort ihrer Unterhaltung auffangen konnte, »Europa, ich bin mit dir zufrieden.«
Europa hob den Kopf und sah diesen Menschen mit einem Ausdruck an, der ihr welkes Gesicht so sehr verwandelte, daß die Zeugin dieser Szene, nämlich Asien, die an der Tür horchte, sich fragte, ob das Interesse, wodurch Carlos Europa an sich fesselte, das, wodurch sie sich an ihn gekettet fühlte, an Tiefe übertreffen könnte.
»Das ist nicht alles, meine Tochter. Vierhunderttausend Franken sind für mich nichts ... Paccard wird dir eine Rechnung für Silbergeschirr
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