Glanz
und meinen Tod wie einen Selbstmord aussehen lassen.
Ich war in einer so gut wie aussichtslosen Position im Kampf gegen eine übermächtige Geheimorganisation. Eine Organisation, von deren Macht und Verbindungen ich nicht mal eine Vorstellung hatte. Meine einzigen Verbündeten, Emily, Paul und George, konnte ich nicht erreichen.
Vielleicht war ihnen etwas zugestoßen, schoss es mir durch den Kopf.
Ich stand auf und ging nervös in meinem kombinierten Wohn- und Arbeitszimmer auf und ab. Die Lage mochte hoffnungslos erscheinen, aber ich würde nicht aufhören zu kämpfen, solange ich dazu noch in der Lage war.
Mein Blick fiel auf ein Sideboard, auf dem Fotos von Eric in Silberrahmen standen. Eric als Säugling, Eric als Dreijähriger in Disneyworld an der Hand seines Vaters – ein Bild aus glücklichen Zeiten. Eric bei seinem neunten Geburtstag, Eric auf der Schaukel im Garten meiner Eltern, die beide vor Jahren kurz nacheinander an Krebs gestorben waren.
|357| Ich stutzte. Zwischen all den vertrauten Bildern eines glücklichen Einzelkindes stand ein Foto, das dort nicht hingehörte: das Porträt eines Mädchens. Die Aufnahme war von einem Profi gemacht worden – ich erkannte sofort das auf den ersten Blick natürlich wirkende Spiel von Licht und Schatten auf ihrem Gesicht, das doch das Ergebnis sorgfältiger künstlicher Beleuchtung war. Ihr glattes Haar fiel locker über ihre Schultern. Die Mundwinkel waren leicht nach oben gezogen, doch das Lächeln erreichte ihre Augen nicht. Erst jetzt, beim Betrachten dieser Fotografie, fiel mir auf, wie hübsch sie war – wenn sie nicht ein wenig zu jung gewesen wäre, hätte sie ohne weiteres eines der Fotomodelle sein können, die ich für Modemagazine abgelichtet hatte.
Maria.
Ich starrte das Bild an. Wie kam es hierher? Und warum stand es dort zwischen den Fotos meines Sohnes, als ob es schon immer hier gewesen wäre?
Die einzige Erklärung war, dass die Verschwörer es dort platziert haben mussten. Aber ich konnte mir nicht vorstellen, warum. War dies Teil einer subtilen Methode, mich an meinem Verstand zweifeln zu lassen und mich nach und nach in den Wahnsinn zu treiben? Steckte sie gar mit diesen Leuten unter einer Decke? Das würde jedenfalls einiges erklären.
Kurzerhand nahm ich das Bild und legte es in eine Schublade des Sideboards. Dann arrangierte ich die übrigen Fotos so, dass die Lücke, die Marias Porträt hinterlassen hatte, geschlossen wurde.
Noch einmal rief ich bei Emily an. Wieder nur der Anrufbeantworter. Ich überlegte, was Dr. Ignacius wohl mit ihr angestellt hatte. Würde er versuchen, auch ihre Glaubwürdigkeit zu ruinieren? Oder sie einfach verschwinden |358| lassen? Sie war vielleicht in Gefahr! Wenn ich ihr helfen wollte, musste ich Eric finden und in Sicherheit bringen. Ich musste so schnell wie möglich nach Cambridge. Notfalls eben allein.
Die schnellste Möglichkeit, dorthin zu kommen, war ein früher Flieger. Wenn ich mich beeilte, konnte ich die Maschine um halb sieben erreichen. Doch dann war ich vor Ort auf Taxis und andere öffentliche Verkehrsmittel angewiesen. Falls ich Eric fand und mit ihm fliehen musste, war das nicht gerade ideal. Also entschied ich mich, mit dem Auto zu fahren.
Ich besaß keinen eigenen Wagen. Den Buick hatte ich bei unserer Trennung Ralph überlassen. Wenn ich ein Auto benötigte, mietete ich mir eins – das war letztlich billiger.
Die Mietwagenstation lag ein paar Blocks nördlich von meinem Apartment. Da die Station erst um 7.00 Uhr öffnete, musste ich noch etwas warten. Ich machte mir ein Frühstück aus Rührei und Toast und zwang mich, trotz meines flauen Magens etwas zu essen. Ich würde meine Kräfte noch brauchen. Bevor ich aufbrach, rief ich noch mal bei Emily an, doch wieder erreichte ich nur ihren Anrufbeantworter.
Ich ging die Strecke zur Mietwagenstation zu Fuß. Der Himmel über New York versprach einen herrlichen, wolkenlosen Tag. Trotz meiner verzweifelten Lage erfasste mich vorsichtiger Optimismus. Es tat gut, unterwegs zu sein, zu handeln, statt nur nervös in der Wohnung herumzulaufen.
Ein vielstimmiges Krächzen ließ mich aufblicken. Ein großer Krähenschwarm zog über mich hinweg. Der Anblick verursachte mir eine Gänsehaut.
Ich schüttelte den Kopf. Eric war aufgewacht. Die |359| Odyssee in seinem Kopf war vorbei. Ich musste ihn nur noch nach Hause zurückbringen, dann war dieser Alptraum endlich vorbei.
Die Frau an der Mietwagenstation kannte mich bereits.Da ich eine
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