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Glanz

Glanz

Titel: Glanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Olsberg
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»Selbstverständlich.« Er wandte sich an die übrigen Ordensmitglieder. »Brüder und Schwestern, lasst uns nun in der Kapelle einen Gottesdienst feiern und dem Herrn für das Wunder der Offenbarung danken, die wir heute erhalten haben!«
    Zustimmendes Gemurmel erhob sich, und die schwarzgekleideten Gestalten verließen den Raum in einer kleinen Prozession. Dr. Ignacius und Swenson folgten ihnen.
    Erleichtert schloss ich die Tür. Nur Emily war zurückgeblieben. Wir fielen uns in die Arme, und mir kamen erneut die Tränen. Es gab keine Worte, die meiner Dankbarkeit gegenüber meiner Freundin Ausdruck verleihen konnten. So hielten wir uns nur stumm umfasst.
    Ein Geräusch ließ mich herumfahren. Es klang wie ein Stöhnen. Erschrocken beugte ich mich über Eric. Doch er wirkte entspannt. Seine Augen waren klar und wach, und sie folgten meinem Gesicht. Sein Mund zuckte leicht, so |348| als versuche er zu lächeln, könne sich aber nicht mehr genau erinnern, wie das funktionierte. »Mmm …«, machte er. Und dann, deutlich hörbar: »Mmmom …«
    Ich streichelte seine Wange und küsste seine Stirn. »Schon gut, mein Sohn«, sagte ich. »Lass dir Zeit. Bald wirst du wieder ganz gesund sein!«
    Eine kleine, nagende Stimme in meinem Hinterkopf meldete sich mit der Frage, ob er wirklich jemals wieder ganz geheilt sein würde. Was, wenn er bleibende Schäden davongetragen hatte? Was, wenn Eric nie wieder richtig sprechen konnte?
    Ich verdrängte den Gedanken. Mein Sohn war wieder zurück. Die lange Suche hatte ein Ende. Nur das zählte!
    Die Tür öffnete sich, und zwei Pflegerinnen kamen herein. Sie hoben Eric von der fahrbaren Liege auf das Krankenbett, in dem er zuvor gelegen hatte. Dann entfernten sie die Liege und brachten stattdessen ein zweites Bett in das Zimmer. »Dr. Ignacius meinte, Sie wollen sich vielleicht eine Weile hier ausruhen«, sagte eine der Schwestern.
    Ich bedankte mich. Ich fühlte mich in der Tat sehr erschöpft. »Was ist mit dir?«, fragte ich Emily. »Möchtest du auch ein bisschen schlafen? Wir könnten uns zu zweit hierherlegen.«
    »Nein danke«, sagte sie. »Ich will erst mal nach Maria schauen.«
    Maria. Ein Stich des Bedauerns und der Reue durchfuhr mich. »Bitte richte ihr aus, dass ich ihr dankbar bin für das, was sie für Eric getan hat«, sagte ich. »Ich würde es ihr gern selbst sagen, aber ich glaube, ich brauche jetzt tatsächlich ein bisschen Ruhe. Und ich möchte Eric nicht allein lassen.«
    Emily nickte. »Ich bin bald zurück.« Damit verließ sie den Raum.
    |349| Ich schob das fahrbare zweite Bett neben das von Eric und legte mich darauf. Ich nahm seine Hand in meine und drückte sie. Ganz schwach glaubte ich ein Zucken seiner Finger wahrzunehmen, als erwidere er meinen Händedruck.
    Mit einem glücklichen Lächeln auf den Lippen schlief ich ein.

|350| 38.
    Als ich erwachte, war es dunkel. Die Leuchtziffern meines Digitalweckers zeigten 4.15 Uhr morgens an.
    Ich fuhr hoch, als hätte jemand einen Eimer Eiswasser über mir ausgegossen. Ich drückte den Lichtschalter, der an der vertrauten Stelle neben dem Bett war.
    Ein Geräusch entrang sich meiner Kehle, das nicht von mir zu stammen schien, sondern von einem kleinen, verängstigten Tier, das in meiner Brust eingesperrt war.
    Ich befand mich in meinem Schlafzimmer in Manhattan. Statt der Jeans und des T-Shirts, die ich in der Klinik in Cambridge angehabt hatte, trug ich eines meiner seidenen Nachthemden.
    »Nein!«, sagte ich laut. »Nein, das kann nicht sein!« Ich stand auf und riss die Vorhänge auf, getrieben von der unsinnigen Hoffnung, der kleine Park der Fresh-Pond-Klinik möge dahinter zum Vorschein kommen. Stattdessen sah ich das niemals ganz verlöschende Leuchten der Großstadt: unzählige Lichtpunkte, die langsam blinkten und flackerten wie die Glut eines heruntergebrannten Feuers.
    Ich versuchte, die Panik zu verdrängen, die mich befiel. Es musste eine logische Erklärung dafür geben, dass ich jetzt in meinem Apartment war, obwohl ich doch gerade noch in der Klinik in Cambridge gelegen hatte.
    Mit zitternden Knien wankte ich in Erics Zimmer. Sein Bett war leer, und der Raum roch schal, als sei er lange nicht benutzt worden.
    Es gab zwei Möglichkeiten: Entweder war dies hier ein |351| Traum, oder ich hatte nur geträumt, dass Eric aufgewacht war.
    Beides erschien mir unmöglich. Doch die Tatsachen ließen keine andere Erklärung zu.
    Es sei denn, ich war dabei, den Verstand zu verlieren.
    Was immer mit mir

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